Charles Tolliver & Antonio Faraó Trio | 02.12.2016

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Lebhafter Hardbop in hinreißendem Erzählfluss, Emperors March! Die Geschichte dazu? Die Kaiserpinguine der Antarktis legen ihre Eier 80 Kilometer landeinwärts. Damit die Brut nicht erfriert, werden sie flugs auf die Füße der Väter bugsiert. Die weiblichen Vögel verlassen den Ort des Geschehens, begeben sich auf den langen Weg zurück ans Meer und stärken sich erst mal. Erst nach einiger Zeit kehren sie mit halb verdauten Nahrungsvorräten für die Jungen zurück und lösen die Väter ab. Die haben einstweilen bei minus 40 Grad und eisigen Windgeschwindigkeiten ausgeharrt, die Eier keine Sekunde aus der Obhut gelassen und die Hälfte ihres Gewichts verloren.

Die Musik dazu ist von so bezwingender Bildsprache, dass man die großen Vögel förmlich durch die Eiswüste watscheln sieht, beharrlich ihrem Ziel auf der Spur, stoisch den Unbilden von Wind und Wetter trotzend, den tobenden Elementen ausgesetzt und trotz allem der Brut die Wärme gewährend, die zum Überleben nötig ist.

Faszinierende Bilder, die eine munter musizierende Band hier in mitreißender Tonsprache hervorruft!

Im Format ganz dem klassischen Hardbop der 60er zugeordnet, dem Charles Tollivers gleißendes Trompetenspiel seine musikalische DNA verdankt, blitzen zwischen den Zeilen immer wieder zeitaktuelle Impulse, welche die Musik alles andere als museal wirken lässt.

Jazz kann Geschichten erzählen. Dem bilderreichen Marsch der Pinguine folgt ein Duo mit dem stets für eigene Überraschungen sorgenden Pianisten Antonio Farao in einer überaus Blues inspirierten Fassung von Thelonious Monks ’Round Midnight, nicht wie üblich als Ballade, sondern als quecksilbrig glitzernde uptempo Pretiose. Dann wieder stehen Marco Ricci am Bass und Tony Arco am Schlagzeug im Mittelpunkt des Geschehens, beide ausgesprochene Energiebündel mit markanter, stets präsenter Klangsprache und sprudelnder Ideenfülle. Attacke! Antonio Farao macht seinem Ruf als Temposünder alle Ehre, fegt nur so über die Tastatur des Bösendorfers, immer auf dem Sprung, immer unter Strom. Und Charles Tollivers setzt dem Ganzen die Krone auf. Nichts für die stade Zeit, eher ein Adrenalinstoß, der die herbst- und winterlich müden Knochen gehörig durcheinanderschüttelt.