Cécile Verny Quartet | 14.01.2017

Donaukurier | Karl Leitner
 

Man kann immer wieder die Beobachtung machen, dass Pop immer dann besonders interessant, spannend und anspruchsvoll wird, sobald ihn Musiker spielen, die im Grunde ihres Herzens Jazzer sind. Donald Fagen oder Jon Regen sind Paradebeispiele. Sobald sie sich vom Format entfernen und sich quasi selbst von der Leine lassen, erlebt man oft genug sein blaues Wunder. Cé-cile Verny, in Freiburg lebende Afro-Französin, gehört auch in diese Kategorie. Zumindest dann, wenn man ihre beiden Konzerte im Birdland als Beleg heranzieht.

Sie war schon ziemlich oft zu Gast im Jazzclub in der Neuburger Altstadt, aber jedes Mal klang sie anders. Diesmal liegt ein Schwerpunkt auf Songs, Chansons und Balladen in französischer Sprache, ein zweiter auf einer knackigen, mitreißenden Spielart des Soul- und manchmal sogar des Acid-Jazz, ein dritter bei Vertonungen von Texten William Blakes, Artur Rimbauds und Elizabeth Brownings und bei Hommagen an Serge Gainsbourg, Amy Winehouse und Whitney Houston. So vielseitig die inhaltlichen Bezüge sind, so vielseitig ist auch die Musik, die von zarten, fast hingehauchten, Passagen bis zu wuchtigen, hochgradig elektrifizierten, alle Nuancen zulässt.

Sofern man als Zuhörer nicht der Fraktion der Puristen angehört, kann man gar nicht anders, als mit Cécile Verny und ihrer Band (Bernd Heitzler an akustischen und elektrisch verstärkten Bässen, Andreas Erchinger an Klavier, E-Piano und Orgel sowie Lars Binder am Schlagzeug) mitzugrooven, etwa bei der strahlenden  Gospelnummer „Lord Have Mercy“, den mächtigen Akkorden der von „Kanakassi“ und dessen African Roots oder den lässigen Bossa Nova-Pat-terns hinter „Kekeli“, das Madame Verny ihrer Tochter gewidmet hat.

Wie sie ihre ganze Seele in ein Liebeslied legt, an anderer Stelle feurig loslegt und alles in Grund und Boden singt, wie sie Gefühle fast schon greifbar vermittelt und dann wieder voller Lust mit Wortsilben und Lauten spielt, das alles und dazu auch all die anderen verschiedenen Facetten, mit denen sie jeden Song veredelt und zu einem kleinen Kunstwerk macht, weist Cécile Verny als wahre Könnerin aus, die sich nie auf nur ein Genre beschränkt. Sie forscht nicht nach, welcher Song aus dem vielfältigen Angebot der Jazzliteratur zu ihr passen könnte, nein, sie und die Musiker der Band schreiben sich ihre Stücke selbst auf den Leib. Vielleicht trägt auch das dazu bei, dass sie so gut ankommt und am Ende des ersten Abends zwei Zugaben geben muss.

Aus der Sicht der „Jazzpolizei“, die keinen Fehltritt duldet, geht mit Cécile Verny der Jazz zweifellos fremd, befinden sich sie selbst und ihre Band auf musikalischen Abwegen. Andererseits öffnet gerade die Negierung von Grenzen immer wieder neue Horizonte und zieht dann auch neues Publikum an. Und jede Menge Spaß beim Zuhören macht’s obendrein. So wie in diesem Fall.