Cécile Verny Quartet | 10.01.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

Vor ziemlich genau einem Jahr hat Cécile Verny einen Großteil dieser Songs ihrem Publikum im Birdland in Neuburg bereits vorgestellt. Damals waren sie brandneu, mittlerweile wurden sie auf dem Album „Of Moons And Dreams“ veröffentlicht und nun hat sie sie erneut im Programm. Das informierte Publikum müsste also eigentlich ganz genau wissen, was es vom Auftritt der Band aus Freiburg zu erwarten hat. Trotzdem kommt es in Scharen und füllt das Gewölbe unter der ehemaligen Hof-apotheke an zwei Abenden bis auf den letzten Platz.

Die Frage ist: Warum hört man sich et-was an, was man bereits kennt? Es gibt zwei Antworten: Weil es erstens so gut ist, dass man davon schier nicht genug bekommt. Und weil man es zweitens in dieser Form eben doch nicht bis ins letz-te Detail kennt. Weil die Formation, die zwar in diesem Fall zum Großteil Pop spielt, im Grunde eben doch eine Jazz-band ist. Das bedeutet, dass sich Studi-otracks auf der Bühne verändern, dass ständig neue Versionen entstehen, dass sofort nach der Einspielung der Stücke deren Bearbeitung, deren Interpretation einsetzt, dass in manchen Fällen die Band sich selbst covert.

Es entsteht eine mit Händen greifbare Spannung zwischen den auskomponier-ten Teilen, in denen jeder kleine Farbtup-fer akribisch genau gesetzt ist, in denen jedes Teilchen ganz genau an seinen Platz passt, und den sich plötzlich öff-nenden Räumen, in die die Solisten vor-stoßen. Von einer Sekunde zur anderen wird aus Pop Jazz und aus Jazz Pop, öff-nen und schließen sich Türen zwischen Genres, deren Fans sich ansonsten oft genug mit Naserümpfen begegnen, die aber in diesem Fall so herrlich harmonie-ren.

Die Songs in ihrer Studioversion sind toll und das dazugehörige Album ist in der Tat vorzüglich, ja, in der Livesituati-on aber wird den Stücken wahres Leben eingehaucht, sie beginnen zu atmen. Was an der erstklassigen Band (Bernd Heizler am Bass, Andreas Erchinger am Klavier und den Keyboards sowie Lars Binder am Schlagzeug) liegt, vor allem aber na-türlich an dieser Wahnsinns-Sängerin namens Cécile Verny. Bei jedem Gast-spiel meint man, sie würde immer noch besser. Sie wispert und fleht, sie spürt Empfindungen nach, sie bricht aus wie ein Vulkan, scattet, röhrt, spielt mit dem Text. Dabei greift sie auf einen enormen Tonumfang zurück. Was für eine Stim-me, was für eine Bühnenpräsenz!

Musikkonsum via Konserve ist unab-dingbar, das ist klar, eigentlich aber ge-hört Musik auf die Bühne. Dort beginnt sie zu atmen, zu wachsen, lebendig zu werden, sich zu entwickeln. Damit dies geschieht, braucht es freilich Musiker, die sich nicht damit zufrieden geben, sie lediglich zu reproduzieren, sondern sie hegen, pflegen, zum Blühen bringen. Musiker wie die des Cécile Verny Quar-tets. Deren vor Jahresfrist ausgebrachte Saat ist in der Tat prächtig aufgegangen und steht in voller Blüte. Konzerte wie dieses wären eigentlich ein Livealbum wert.