Cassablanka | 02.06.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Neuburg kann sich fürwahr glücklich schätzen, einen weltweit renommierten Jazzclub innerhalb seiner Mauern zu beherbergen, in dem nicht selten internationale Stars bis hin zum Grammy-Preisträger auftreten. In solchen Fällen kommen die Leute mitunter aus der ganzen Republik, aus der Ottheinrichstadt selbst im Schnitt nur jeder fünfte.

Lädt allerdings eine Band wie Cassablanka zum Konzert, deren Mitglieder allesamt in der Stadt selbst oder im Umland beheimatet sind, kann es durchaus vorkommen, dass sich deren Anteil – wie in diesem Fall – verdrei- oder vierfacht. Die Leute auf und die vor der Bühne kennen sich auch aus dem Alltag, man ist neugierig auf das musikalische Potenzial der Musiker aus der eigenen Mitte und die Parole „Dahoam is dahoam“ gilt ausnahmsweise auch mal für den Jazz. Wobei für die Band ein Heimspiel dieser Art in mehrfacher Hinsicht von Vorteil ist. Man spielt in ehrwürdigem Ambiente, was eine Ehre ist, die beileibe nicht jedem zuteil wird. Man kann auf freundlichen Applaus aus dem Freundes- und Bekanntenkreis setzen, was jedem Musiker, ob mit oder ohne Starstatus, gut tut, man kann das Ergebnis seiner nebenberuflichen Tätigkeit – denn alle sind lupenreine Amateure – öffentlich präsentieren und sich zudem für weitere Konzerte empfehlen.

Cassablanka spielen zum dritten Mal im Birdland, bieten eine mit allerlei Perlen des New Orleans-Rag, des Swing und des Bebop gespickte Mischung aus bekannten und weniger bekannten Stücken von Louis Armstrong und Fats Waller, Charlie Parker und Ray Charles, beginnen als Septett mit Alexander Großnick (Tenorsaxofon, Klarinette), Nils Niermann (Alt- und Baritonsaxofon), Gerhard Hörmann (Trompete) Christian Rehm (Posaune), Brigitte Pettmesser (Klavier), Renate Hörmann (Kontrabass) und Florian Herrle (Schlagzeug). Geht es vor dem Pause vor allem um Oldtime Jazz, weht im zweiten Set ein ganz anderer Wind. Peter von der Grün (Altsaxofon) stößt zur Band und später auch für ein paar Stücke die Sängerin Sylvia von der Grün. Das Klangbild wird mächtiger – kein Wunder mit fünf Bläsern auf der Bühne – und die Arrangements erinnern immer mehr an die großen Big Bands von Duke Ellington oder Oscar Peterson, die etwaige vorher noch vorhandene Nervosität ist längst abgelegt, Druck, Dynamik und Spritzigkeit nehmen zu und bei Parker’s „Yardbird Suite“ und „Out Of Nowhere“ sowie Henri Mancini’s „Pink Panther“ in der ersten Zugabe läuft das Ensemble zu erstaunlicher Form auf.

Die Band, die überhaupt nichts dagegen hat, wenn man sie als Kaffeehaus- oder Salonorchester betitelt, ist im zweiten Set aber doch viel mehr als das. Verbände man ihren Namen „nur“ mit gefälliger Musik als Beiwerk zu aus der Zeit gefallenen Tanztees oder als Lieferant bekannter Melodien für gesellschaftliche Ereignisse, bei denen eh keiner richtig zuhört, griffe das eindeutig zu kurz. Was das seit seiner Gründung 2008 als Quintett und allmählich auf Nonett-Größe angewachsene Ensemble bietet, hat Niveau, zeugt von handwerklichem Geschick und eigenem Stil. Nach dem überzeugenden zweiten Set wäre es ihm sogar zuzutrauen, irgendwann mal mit Miles Davis oder gar John Coltrane um die Ecke kommen. Ein bemerkenswertes Konzert einer Band, die sich längst als feste Größe des regionalen Jazz etabliert hat.