Carla Cook Quartet | 04.02.2000

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Eine gute Zeit für Jazzsängerinnen. Die jungen stoßen beherzt in die von den alten hinterlassene Lücke und haben obendrein das Glück, in eine kräftige trendmäßige Hausse zu geraten. Denn das Publikum liebt sie wieder heiß und innig, die weiblichen Stimmband-Akrobaten, die Scat-Divas, ob in New York, London, Hamburg oder in Neuburg, wo das jüngste Gastspiel der noch relativ unbekannten Carla Cook zur Überraschung aller vor einem restlos ausverkauften „Birdland“-Jazzclub über die Bühne ging.

Eigentlich konnte es ja niemand wissen, dass die aus Detroit stammende und in New York lebende Chanteuse sogar für den in Kürze anstehenden „Grammy Award“ in der Kategorie „Best Female Vocal Performance“ nominiert wurde. Eine Auszeichnung, die sie sprungartig auf eine Ebene mit Stars wie Dee Dee Bridgewater, Dianne Reeves, Cassandra Wilson oder Diana Krall katapultiert. Mitnichten zu Unrecht, wie ihre Performance in Neuburg unter Beweis stellte. Gerade wie die Cook die unüberhörbaren Soundprobleme zum Auftaktkonzert ihrer großen Deutschlandtournee meisterte, das verdient allerhöchsten Respekt. Das Mikro viel zu leise, der Schlagzeuger George Gray viel zu basstrommel-lastig, in Up-Tempo-Nummern viel zu krachend auf der Snare und überhaupt viel zu hippelig: andere Sängerinnen hätten dies alles mit einer radikalen Verdopplung der Lautstärke kompensiert.

Carla Cook dagegen setzt auch in solchen Situationen konsequent auf ihre Talente: coole, nonchalante Phrasierung, dunkles Timbre, rhythmische Flexibilität und famose instrumentale Auffassung. So wie ihre populäreren Kolleginnen versteht sie ihr Handwerk stets als multifunktionale Philosophie. Entweder hält sie sich strikt an die vorgegebenen Noten und fordert den geschmackvoll-dezent begleitenden Pianisten Andy Milne zum Dialog, formt ihren Vortrag textbetont und agiert in Miles Davis` „So What“ exakt wie der große Crooner Jon Hendricks oder kreiert in Kurt Weills „September Song“ flüsternd eine neue Balladenkultur zwischen Südstaaten-Blues und dem Savoir Vivre französischer Chansons.

Die eigentliche Stärke der „Lady in Black“ ist jedoch ihre geradezu programmatische Offenheit, mit der sie dem Vocaljazz scharenweise Hörer aus anderen Lagern zutreibt. Neben den obligaten klassischen Standards frisiert Carla Cook beispielsweise Marvin Gayes „Inner City Blues“ in eine kochende Souljazz-Nummer um und verwandelt Neil Youngs „Heart Of Gold“ in ein Kleinod improvisatorischer Raffinesse. Ihr nur von Vashon Johnsons delikatem Kontrabass begleitetes Intro zu Sinatras „The Way You Look Tonight“ zergeht wie Vollmilchschokolade mit feinen Mandeln auf der Zunge, und selbst bei Eric Claptons „Change The World“ schafft sie es, ihr rauchiges Organ durch einen Schwarm von Klangfarben treiben zu lassen.

Den schillerndsten Tupfer setzt Carla Cook selbst obendrauf. Ohne billige Effekthascherei erarbeitet sie sich Stück für Stück eine enorme dynamische Spannung, baut sich ganz langsam eine Brücke zum Publikum, die weit über den Abend hinaus Bestand hat. Eine Sängerin, die es ehrlich meint mit ihren Songs, die anrührende emotionale Statements formuliert. Und irgendwie beschleicht einen dabei der Eindruck, das alles schon mal selbst erlebt zu haben.