BeatleJazz! Improvisatorische Aneignung der wahrscheinlich bekanntesten Songs des Planeten durch ein Jazzquartett – das ist eine Gratwanderung zwischen Erwartungshaltung, künstlerischer Verpflichtung und musikalischem Anspruch. Immerhin vier CDs lang schon beschreiten David Kikoski und Brian Melvin diesen Grat mit mehr als beachtlichem Erfolg. Im Birdland Jazzclub boten sie nun einen Abend, der die Songs der Beatles in ein ganz eigenes schillerndes Licht tauchte.
Wer sich an Songs der Beatles wagt hat eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie Ton für Ton nachzuspielen oder was ganz Anderes draus zu machen. Viel zu tief sind die Originale ins kollektive Gedächtnis aller eingeprägt, die seit den frühen 60ern auch nur irgendwie entfernt mit populärer Musik zu tun haben. Zu endgültig erscheint, was die Fab Four an künstlerischer Klasse in die Musikgeschichte des 20. Jahrhundert setzten. Kaum eine Chance, da ran zu kommen! Ausnahmen bestätigen die Regel: Joe Cockers Adaption von „With A Little Help From My Friends“ etwa war so eine Sternstunde, übrigens auch weit genug weg vom Original, ansonsten weitestgehende Fehlanzeige, was die Rezeption der einflussreichsten Popkomponisten seit 1962 angeht. Außer im Jazz, der die Songs mehr und mehr entdeckt, adaptiert, sich einverleibt. Das gilt für das Doppel John Lennon/Paul McCartney wie für George Harrison. Bis zur Kenntlichkeit feinster harmonischer Nuancen, die den Stücken innewohnen, spielen Melvin und Kikoski im Quartett mit Piotr Lemanczyk am Bass und Ralph Reichert am Saxophon die Kompositionen aus. Sie outen sich als echte Fans, gerade indem sie nicht am Nachspielen interessiert sind, sondern daran, was hinter den Kulissen steckt. Wer Coverversionen von Beatlessongs erwartete, erlebt sein bleues Wunder: lupenreinen modernen Jazz! Da ist nichts vordergründig Gefälliges zu hören, nichts Poppiges, kein Schmusekurs mit Hörerwartungen. Das mag vielleicht den einen oder anderen enttäuschen, aber es ist konsequent, wenn Musiker dem legendären Quartett aus Liverpool ihre Referenz erweisen, indem sie dessen Musik ausloten und die eigenen Geschichten daraus entwickeln. Beispiele: Paul McCartneys „Eleanor Rigby“ und „Fool On The Hill“, John Lennons „A Hard Day’s Night“ und „Beautiful Boy“, George Harrisons „Piggies“ und „All Things Must Pass“. Balladen, freie Improvisation, Mainstream Jazz, Reggaeklänge in „Let It Be“, kammermusikalische Kabinettstückchen in „Lady Madonna“, ein meisterliches Klavierintro von Kikoski zu „Imagine“ und ein sehr beachtliches Solo von Brian Melvin auf der Tabla, die selbstredend nicht fehlen darf als Tribut an George Harrisons indische Phase.
Natürlich enthält das Konzert auch Einiges an Unterhaltungswert, Entertainment und Schalk im Nacken. Denn es würde den Fab Four ja nun auch nicht gerecht, wenn sie jazzpolizeilich akademisiert würden. Respekt, Kreativität und Phantasie – da wird nach dem x-ten Revival tausendfach Gehörtes zu einer kleinen Sensation.