Brederode – Ineke Quartet feat. Harry Sokal | 03.03.2000

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Wer sich dem Lärmen und dem allgemeinen Trubel des rußigen Freitags entziehen wollte, der fand Asyl im Birdland-Jazzclub bei einem bemerkenswerten Konzert des Wolfert Brederode – Eric Ineke Quintets.

Einen intensiveren Kontrast zum Humbatäterä könnte es kaum geben: ein meditativ suchender Einstieg über getragene Linien, zunächst fast im Unisono von Trompete und Saxophon, dann mehr und mehr sich voneinander lösend zu versponnen sich aneinander aalenden Melodiefragmenten: „New Morning“. Bei der Ellington-Komposition „African Flower“ versinkt das Klavierintro tief hinein in die dunklen Kontinente der Seele, die Trompete wechselt im Dialog mit dem Soprano von dahingehauchter Fragilität zu aggressiv attackierender Schärfe, das Saxophon gewinnt mehr und mehr Präsenz im freien Spiel der Kräfte. Das alles vollzieht sich auf dem Hintergrund eines dunkel grollenden Schlagzeugs und eines schwer groovenden Basses bis der letzte Ton der Trompete verloren im Gewölbe verhallt.

Brederodes Komposition „Trinity“, das Titelstück der neuen CD des Quintetts, gibt sich wie ein Triptychon lautmalerischer Intensität. Ein Zwiegespräch aus freien Skalen zwischen Tenorsaxophon und Trompete führt in eine hingebungsvoll horchende Fantasie Wolfert Brederodes am Piano und weiter in eine kollektive Improvisation des Quintetts, in der die coltranesken Eruptionen Harry Sokals am Sopransaxophon ebenso wie die kraftstrotzend auf dem Starkstromkabel dahinbalancierenden Tonfolgen Jarmo Hoogendijks an der Trompete einen Höhepunkt an den anderen reihen. Gulli Gudmundson leuchtet dabei vordergründig unauffällig aber mit um so kräftigerem Licht den Hintergrund aus, ohne den kein Bild erkennbar würde, und Eric Ineke setzt am Schlagzeug mit seinen kreiselnden Rhythmen prägnant herauskristallisierte Akzente.

Romantik und freier Jazz, zwischen diesen beiden Polen bewegt sich das auch in sich kontrastreich agierende Quintett. Das musikalische Verständnis der fünf gibt sich auf der einen Seite heiter-freundlich in ruhig dahinfließender Melodik und abgeklärt harmonischer Eintracht, die jedoch gleichzeitig um die atemberaubenden Strudel des Lebens weiß, um keinen dieser Strudel einen Bogen macht, schließlich mitreißt über abenteuerlich sich steigernde Stromschnellen hinweg in eine rasante Fahrt quer durch verschiedenste Zustände und Horizonte.