Borderlands Trio | 02.02.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die „Borderlands“, die das Trio aus New York im Namen führt, ist kein geografischer Begriff, sondern eher avantgardistisch gemeint. Die Pianistin Kim Davis, der Kontrabassist Stephan Crump und der Schlagzeuger Eric McPherson nämlich wagen den Blick über Grenzen, erkunden stilistisches Neuland, lassen sich auf radikale Weise ein auf das, was sie in Terra Incognita erwartet und entführen ihr Publikum im Neuburger Birdland Jazzclub auf äußerst geschickte Weise in exotische musikalische Gegenden, deren Existenz man zwar erahnte, wobei aber vermutlich nur die wenigsten wussten, wie sich ein Besuch dort tatsächlich anfühlen würden.

Nun handelt es sich ja fürwahr nicht um einfache Kost, wenn Rhythmen und Harmonien erst einmal behutsam gefunden werden müssen, wenn melodische Ideen aufgegriffen und wieder verworfen, wenn nach der Auflösung musikalischer Strukturen nur noch der pure Klang übrig bleibt, wenn fast unmerklich Akzente verschoben, wenn mit Kreativität und Leidenschaft errichtete Gebäude zum Einsturz gebracht werden, damit aus den Scherben und Splittern Neues entstehen kann, wenn scheinbar greifbare Melodiefetzen sich plötzlich in Luft auflösen und neue am Horizont auftauchen.

Und doch gibt es am Ende des Konzerts, nach zwei großen Blöcken, zwei 45-minütigen Klangereignissen, laute Bravorufe wie sonst nur ganz selten im Birdland, was schließlich zu zwei Zugaben führt. Woran liegt das? – Nun, im Gegensatz zum reinen Free Jazz bleibt die Band immer – zumindest mit einem Bein – auf der bereits erforschten Seite der Grenzlinie. Das schafft Vertrauen und gibt Sicherheit, befriedigt aber gleichzeitig die Neugier auf all die Welten, die sich jenseits der fiktiven Grenze auftun. Dass man sich quasi mit überaus kompetenter Führung für gut 90 Minuten in beiden Zonen tummeln und ständig pendeln kann, übt einen ungeheuren Reiz aus. Ein zweiter Grund liegt sicherlich darin, dass die Band es schafft, durch minimalistische Repetitionen einen regelrechten Sog, eine Art Strudel zu erzeugen, in dem man unweigerlich hineingezogen wird. Je mehr sich das Ganze dem fulminanten Finale nähert, desto mehr wird es zu einem Trip, der bei allen, die sich darauf einlassen, wohl sogar in einen tranceähnlichen Zustand münden könnte. Das weiß die Band natürlich und lässt nicht umsonst am Ende nach all der Magie das Stück mit Bedacht und Umsicht auslaufen. Der Aufprall in der Realität ist eh schon ziemlich heftig.

Die Musik des Borderlands-Trios ist weit mehr als überaus spannender Stoff für die Ohren. Es gilt, sie auch zu erspüren, zuzulassen, dass sie zum spirituellen Ereignis wird. „Diese Band beamt dich komplett weg“, sagt jemand nach dem Konzert. – Genau. Irgendwie wusste man gar nicht, wie einem geschah. Und hatte dennoch ein herrliches Gefühl dabei. Was für ein phantastischer Abend!