Bodurov – Düppe – Heineking | 14.01.2005

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Das Pianotrio im Trendsog: Seit geraumer Zeit müssen es fast immer nur kleine Soundtracks sein, akustische Kurzfilme, mit großer Geste, inszenierte Tonkinos. Drunter geht gar nichts mehr, wenn sich ambitionierte Jungmusiker zu einer klassischen Troika formieren. Ein zeitgeistiger Wesenszug, der dem Nachwuchs inzwischen offenbar in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Sie wollen das Blatt wenden. Nicht länger die Hintergrundmusik in schummrigen Bars zum Gin on the Rocks geben, sondern einmal selbst alle Sinne jener Menschen dominieren, die sich im unmittelbaren Dunstkreis aufhalten. Bei der Verwirklichung dieses Zieles lassen sich die Erben von Bill Evans eine ganze Menge einfallen. Der Bulgare Dimitar Bodurov sowie seine deutschen Freunde Jens Düppe und Cord Heineking zünden bei ihrem Debüt im Neuburger „Birdland“-Jazzclub viele gescheite Geistesblitze, funkelnde Leuchtraketen voller Virtuosität, aber hin und wieder auch Blendwerk. Was dieses Trio in hohem Maße trägt, sind Tugenden wie Schönheit, Form, Rätsel und Illusion.

Anleihen aus der Klassik verweben Boduov, Düppe und Heineking engagiert, raffiniert und kultiviert mit den Rohmaterialien der improvisierten Musik. Die von ihnen transportierten Szenarien versetzen einen zeitweilig in den Glauben, die Songs schmecken, greifen oder riechen zu können, sie wärmen, lassen einen frieren, fürchten oder glücklich sein. Eigenkompositionen wie „In Somnis“ galoppieren aufgeregt durch kurzweilige zehn Minuten, während andere Titel wie „Forgotten Dreams“ einem verzwickten Puzzle ähneln, das die drei mit verbundenen Augen zusammensetzen.

Es geht aber auch um die Kunst, ein Arrangement auf den Leib zu schreiben. Nur: Wer kennt schon den Körper, der später das eigene Stück spielen soll? Manche Pianisten kennen nicht mal sich selbst so genau. Hier liegt – noch – das Problem des hochtalentierten Dimitar Bodurov. Der Wunderknabe an den Tasten will alles in vier Takten: Einen Umgriff, der von der rhythmischen Fantasie eines Keith Jarrett über die farbige Sophistication eines McCoy Tyner, den sprühenden Funkenflug eines Chick Corea bis hin zur lyrischen Elegie eines Brad Mehldau reicht – und damit schlicht zu viel.

Selbst wenn sich das Dreieck ausreichend Raum gewährt und die hohe Kultur des Interplays pflegt, degradiert Bodurov seine feinen Partner doch unmerklich zu Gleichen neben einem Ungleichen. Dabei modelliert Cord Heineking Basslinien wie tönerne Gefäße und verleiht den Titeln erst ihre markanten harmonischen Strukturen. Jens Düppe an den Drums ist sogar eine echte Schau; ein ebenso spartanischer wie spektakulärer Schlagwerker, dessen fast diplomatisches Dosierungsgeschick der Schlüssel für eine letztlich erfolgreiche Zukunft des Trio sein könnte.

Dass es nämlich auch mit einem niedrigeren Anspruch richtig gut klingen kann, beweist die Zugabe „The Way you look tonight“. Beileibe kein Plädoyer für die alten Standards. Es geht vielmehr um die Herangehensweise: entspannter Groove, unaufgeregte Soli. Der Bauch hat das Hirn abgelöst. Vor allem Bodurov zeigt hier, was für ein zupackender, reicher Pianist er sein kann, wenn er keine Vorbilder im Sinn führt, sondern er selbst bleibt.