Bob Degen | 27.09.1998

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Manche Pianisten swingen, einige schwelgen, andere durchwühlen gar leidenschaftlich die Klaviatur und wieder andere beschränken sich aufs bloße Tupfen. Bob Degen macht alles zusammen. Und er schafft es, solcherlei technische Vielseitigkeit zu einer persönlichen, nie überfrachteten Stilistik zu verschmelzen, die in der aktuellen Jazzszene ohne Beispiel dasteht.

Gerade deshalb muß es einen nach jedem Auftritt des in der Nähe von Frankfurt wohnenden Amerikaners wundern, daß sein Name nicht längst die einschlägigen Gazetten füllt oder das Publikum in Scharen anlockt. Bei seinem jüngsten Gig im Neuburger „Birdland“-Jazzkeller kam wieder mal nur eine Handvoll in den Genuß von Degens erlesener Pianistik, einen Tag zuvor bei einem Privatkonzert im Stadttheater hing die Reserviertheit zu Beginn bleischwer in den Sitzen, bevor sie sich zum Ende beinahe in Euphorie auflöste.

Vielleicht liegt es auch daran, daß Bob Degen alles andere als den klassischen Medientyp verkörpert. Unscheinbar, bieder, fast scheu: einen Jazzmusiker stellt man sich anders vor. Seine fast chronische Verweigerungshaltung gegenüber den Spielregeln des Business versperrte ihm bislang die überfällige Anerkennung auf breiter Front. Was nützt es da schon, daß sich selbst Weltstars wie Dexter Gordon oder Albert Mangelsdorff als Degen-Fans bekennen, weil deren eigene Musik durch die unerschöpfliche Palette seiner Klangfarben einfach noch ein bißchen heller strahlt?

Der große Pianist mit dem kleinen Namen versucht bei jeder Gelegenheit, eine Tür zu einer sorgsam gehüteten ästhetischen Dimension aufzustoßen. Selbst beim Sinnieren über die Kompositionen George Gershwins anläßlich seines 100. Geburtstags auf der Theaterbühne galt es, eine höchst eigenständige, völlig abseits dröger Konventionen schwebende Session zu bestaunen. Denn Degen klimpert nicht bloß Standards nach ihren vorgegebenen Noten herunter. „Summertime“ etwa tauchte er gemeinsam mit dem grandios-flexiblen Drummer John Hollenbeck und Günter Lenz, dem delikaten Linienforscher am Kontrabaß, in ein andere Tonart, tiefblau, impressionistisch, blueslastig, die Hitze des Südens bis in die letzte Sitzreihe tragend, während das verfremdete „How Long Has This Been Going On“ dennoch vertraut und faszinierend klang.

Im familiären Milieu des Jazzkellers unter der Hofapotheke ging der 54jährige bei seinem zweiten Neuburg-Gastspiel sogar einen Schritt weiter. Mit eigenen Nummern wie „Colleen“, „Catability“ oder „Ode To Sammy Davis Jr.“schaffte er es, seine akribischen Strukturen noch kunstvoller miteinander zu verschlingen. Zarte Lyrismen, fast gefährlich riskante, hornähnliche Linien, harmonisch allerhöchsten Ansprüchen genügend, mit freitonalen Schwenks, die allerdings nie schräg oder gar aufbegehrend daherkamen: alles drang fein und kraftvoll ans Ohr. Eben in Bob Degens unaufdringlicher, völlig zitatfreier Sprache, wenn auch manchmal ein wenig zu introvertiert.