Solang nicht nur ein Solokünstler auf der Bühne steht, lebt Jazz wesentlich vom Miteinander. Bei aller Individualität, die er fordert, bei aller impulsiven Spontaneität und Spielfreude, ein Mindestmaß an Teamgeist, interaktiver Kompetenz und emotionaler Intelligenz ist unabdingbar, damit ein Konzert gelingen kann.
So divenhaft eitel jedoch, wie Gaststar Bireli Lagrene im Birdland seine Kollegen durch immer neue Mätzchen auflaufen ließ, musste es nicht verwundern, dass dem Bandleader Jermaine Landsberger nichts anderes übrig blieb als einzugreifen. Schmollend verließ Lagrene darauf die Bühne.
Dabei war eigentlich alles angerichtet für einen wunderbaren Jazzabend. Voller positiver Erwartung waren alle Fans, etliche eigens wegen des einstigen Wunderkinds aus dem Elsass angereist, das sich mit Erreichen des inzwischen 50. Lebensjahres zu einem der bedeutendsten Gitarristen der Jazzwelt entwickelt hat. Mehrfach war Bireli Lagrene bereits gemeinsam mit Jermaine Landsberger im Birdland aufgetreten, jedes Mal mit bestem Erfolg. Es schien a g’mahde Wies’n.
Und zunächst lief auch alles nach Plan: Die Gypsy-Welt ist ja nun nicht gerade arm an Virtuosen. Hier jedoch trafen zwei Musiker auseinander, die selbst bei hoher Dichte an ausgezeichneten Musikern herausragen. Bireli Lagrene zählt zur Elite der Gitarre. Der knapp 50jährige hat eine ausgesprochen individuelle Sprache auf seinem Instrument entwickelt. Nuages! Wie Lagrene in Django Reinhardts unsterblicher Ballade die Töne formte, bedacht, behutsam und ausdrucksstark, das ließ die Wolken förmlich schweben in schwereloser Melancholie.
Mimosa dagegen von Hono Winterstein gab dem Affen Zucker; im uptempo hatten Lagrene und Jermaine Landsberger, sein Kollege am Piano, alle Gelegenheit, mit Tempo und Raffinesse, Stil und Phantasie zu glänzen.
Landsberger solierte am Bösendorfer mit schier atemloser Geschwindigkeit, dabei mit hoher Originalität, weit entfernt von Licks und Tricks, mit frischer Energie und magischer Brillanz. Nicht zu vergessen der grundsolid begleitende, wieselflink solierende Joel Locher am Bass und der mit straightem Groove aufwartende Andreas Neubauer am Schlagzeug.
Gaststar Bireli Lagrene hielt zunächst etliche Versprechen, schweifte, obwohl sichtlich suboptimal disponiert, lässig über die Saiten, ließ lichtgeschwinde Ornamente blitzen und starke Akzente hervortreten, überraschte immer wieder mit eigensinnigen Läufen, bis ja, bis der Eigensinn zur Egomanie ausartete, das Konzert mehr und mehr zerfusseln ließ und schließlich jedes Miteinander sprengte.
Was vom Abend übrig blieb, versuchte das Jermaine Landsberger Trio zu retten. Das begeistert beklatschte, feuerwerksgleiche Finale freilich vermochte die Enttäuschung über das ausgesprochen unprofessionelle Verhalten Bireli Lagrenes nicht mehr zu überspielen, und so endete der Abend recht nachdenklich in a sentimental mood.