Birdland Dixie Band | 19.05.1995

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Nicht selten kommt es vor, daß aus mancher Not eine willkommene Tugend wird. Daß die Not allerdings im Falle der Neuburger Birdland Jazzband (nicht zu verwechseln mit der bekannteren Birdland Dixie Band) so groß war, daß die swingend-beboppende Amateurformation gleich eineinhalb Jahre mit öffentlichen Auftritten pausierte, schien in jüngster Zeit sogar den eingefleischten Fans im Keller unter der Hofapotheke aufgefallen zu sein.

Immerhin hatte das muntere Sextett mit dem Abgang seines langjährigen Pianisten Jürgen Bickl nach Graz einen mehr als herben Verlust zu verkraften. Als sich die Suche nach einem adäquaten Ersatz zunehmend problematischer gestaltete (welcher Tastenkünstler in der näheren Umgebung übt schon gern und regelmäßig Jazzakkorde?) blieb den Bandmitgliedern zwangsläufig keine andere Wahl, als es einfach beim jüngsten „Comeback-Konzert“ im vollbesetzten Birdland-Club „ohne“ zu probieren.

Ein Wagnis, zweifellos. Doch der Erfolg und der lang anhaltende Applaus der Zuhörer nach drei üppigen Sets belohnte die Mannen um Trompeter Helmut Fischer und Saxophonist Mani Rehm vollends für ihren Mut. Denn schließlich darf es keinesfalls als alltäglich betrachtet werden, wenn ein Vibraphon (Bernhard Reitberger) und eine Gitarre (Josi Voigt) die Eckpfeiler für das lebensnotwendige Harmoniegerüst bilden. Durch diese ungewollte „Entschlackungskur“ hat der Sound der Birdland Jazzband freilich zur allgemeinen Überraschung an Kompaktheit und Transparenz gewonnen. Die Nuancen jedes einzelnen Instrumentes wirkten nun wesentlich intensiver, überdies zahlte sich die Mühsal vieler Proben deutlich hörbar bei der Satzarbeit und dem bündigen Ensembleklang aus.

Daß die sechs Musiker aus Leidenschaft zudem ihr treues Publikum mit mehreren frischen Blüten aus einem bunten Strauß der Mainstream-Literatur sowie einigen umarrangierten „Schlachtrössern“ verwöhnten, brachte ihnen oftmals spontanen Beifall ein. Das Erkennungsthema „Undecided“ von Harry James wirkte wohltuend unverbraucht, der „C-Jam Blues“ kam spritzig und bei Kenny Dorhams „Blues Bossa“ sowie „Freddie the Freeloader“ brannten die „Harmoniker“ Voigt und Reitberger so manches solistische Feuerwerk ab.

Daß „Bernie“ Reitbergers Vielseitigkeit offenbar keine Grenzen kennt, stellte der rhythmisch versierte und phantasievolle Tausendsassa an den Schlegeln mit seiner öffentlichen Premiere an der Posaune unter Beweis, die er allerdings diesmal nur im Satz gebrauchte. Überhaupt fiel auf, daß das aktuelle Bandkonzept für die individuellen Fähigkeiten jedes einzelnen weitreichende Betätigungsfelder aufweist, wobei einzig die relative Kürze der Soli (Ausnahme Reitberger!) als verbesserungswürdiges Attribut im Ohr hängenblieb.

Josi Voigt mit flinken Funkjazz-Riffs in seiner Komposition „Birdland`s Delight“, Mani Rehms ungewohnt temperamentvolles Prachtsolo auf dem Altsaxophon in „Now`s the time“ und seine filigranen Querflöteneinsätze, Helmut Fischers betörendes Flügelhorn-Intro bei „Misty“ oder das Trompetenfeature in „Stardust“, Reinhard Lechelers stoisch brummende Walking-Linien in „Double B“ und Herbert Lipperts fordernd-treibendes Drumming in „Softly as in a morning Sunrise“ oder dem Rollins-Calypso „St. Thomas“ besaßen erstaunliches Niveau für eine Gruppe, die ganz bewußt auf den Vergleich mit all den professionellen Größen verzichtet. Was einzig zählt, ist die unverblümte, ehrliche Liebe zum Jazz, und davon besitzt die Birdland Jazzband eine ganze Menge.