Benny Green Trio | 14.01.1995

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Fast unscheinbar geht der junge Mann die Treppe hinunter, drängelt sich mit gesenktem Kopf an den wartenden Fans vorbei und setzt sich an den Flügel. Benny Green bervorzugt die Musik, um auf sich aufmerksam zu machen. Wenige wohlgewählte Worte nur, ansonsten ausschließlich die Sprache der 88 Tasten. Fast drei Stunden lang benützt sie der 33jährige aus New York vor einem begeisterten Publikum im restlos ausverkauften Neuburger Jazzkeller und beweist damit auf`s Neue, daß ein Pianist seines Kalibers einem brillanten Rhetoriker in punkto Ausdrucksmöglichkeiten zu jeder Phase turmhoch überlegen ist.

Schon das erste Konzert des introvertierten Künstlers im Birdland im vergangenen Jahr blieb als Event der Superlative in Erinnerung. Am vergangenen Samstag schaffte es der augenblicklich begehrteste „Swinger“ der Szene freilich erneut, an dieses unglaubliche hohe Qualitätslevel anzuknüpfen, wobei den fachkundigen Gästen eines deutlich offenbar wurde: Benny Green hat in den zurückliegenden Monaten sein Spiel abermals verbessern können. Hangelte er sich einst noch auf der Suche nach einem unverwechselbaren eigenen Stil zwischen seinen Vorbildern Bobby Timmons, Erroll Garner und Art Tatum entlang, so klingt er 1995 eindeutig wie eine weiße Ausgabe des frühen Oscar Peterson.

Was Green dem Meister der stimmungsvollen Harmonien jedoch bereits heute voraus hat, ist seine hochsensible Anschlagskultur, mit der er Arrangements aller Tempi zu veredeln versteht. Bei der Eigenkomposition „Concertina“ lotete er in Neuburg mit seinen Trio-Mitstreitern auf geradezu suggestive Art und Weise die Grenzen der Hörbarkeit aus, um kurz darauf im wohl selten so groovend dargebotenen „Ain`t she sweet“, unterstützt von der treibenden Besenarbeit seines Drummer Kenny Washington, Tempo und Dynamik einer unter Volldampf brausenden Dampflok nahezukommen. Auch dies gehörte einst zu Petersons Erfolgsrezepten: auf jede Up-Temponummer folgt eine Ballade, wie die elegische Blues-Ballade „Station“ mit einem schwerelosen Zeitlupen-Intro. Benny Green zelebriert dieses Wechselbad der Gefühle mit sichtlichem Genuß, immer bemüht darum, den Spannungsbogen nie in den Keller fallen zu lassen.

Denn besäße er diese Gabe für Stimmungen nicht, würden seine reichen technischen Fähigkeiten gänzlich zum bloßen Selbstzweck verkommen. Nicht nur zum Ohren- sondern auch zum Augenschmauß geriet sein Auftritt im Hofapotheken-Keller für all diejenigen, die sein gleichzeitiges Legato- und Staccatospiel, die atemberaubende Modulation, seine teils über anderthalb Oktaven gegriffenen Akkorde oder seine rasend schnellen Läufe unisono mit der rechten und der linken Hand („Fishdance“) genau beobachten konnten.

Wegbegleiter Benny Greens auf der ständigen Suche nach dem richtigen swingenden Moment waren der einmal mehr exzellente Bassist Ed Howard, dessen kraftvollen Walkinglinien sich niemand entziehen konnte und der nicht nur in seinem Paradestück „Nightpants“ frappierend an Ray Brown erinnerte, sowie der überaus talentierte Drummer Kenny Washington. Daß ihm das Erbe des „Besen-Weltmeisters“ Jeff Hamilton in der Ottheinrichstadt nicht zur Bürde geriet, muß ihm hoch angerechnet werden, obwohl seine Einsätze mit den Sticks manchmal etwas zu dominant tönten. Berauschend jedoch der sensationelle Esprit, den Washington dem bluesigen „Cupcake“ verlieh, oder das ungewöhnliche Frage- und Antwortspiel zwischen seinen Besen und den Tasten, die sogar Benny Green kurzzeitig lächeln ließen.