Benny Bailey European Quintet | 25.01.2002

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Lebenserfahrung, Gelassenheit, Selbstbewusstsein und souveräne Energie versprühte der Auftritt des Trompetenseniors Benny Bailey im Birdland Jazzclub. In beeindruckender Manier stellte der 76jährige unter Beweis, dass ein gehobeneres Lebensalter nicht unbedingt im Widerspruch zu einer Menge Power steht.

Vom ersten Takt an war klar: Er hat was zu sagen und er will einen guten Abend haben. Voller Spielfreude legt Benny Bailey los mit Slide Hamptons „My Blues“, geht mit atemberaubendem Tempo auf’s Ganze und lässt die Highnotes in rasanten Melodiebögen nur so aus dem Horn purzeln. Das Benny Bailey European Quintet zündet ein Feuerwerk des Bebop; „Groovin‘ High“ katapultiert das Publikum binnen kürzester Zeit wie eine Zeitmaschine ein gutes halbes Jahrhundert zurück in die besten Zeiten der Clubs in der 52sten Straße, frisch, klar, lupenrein und unverbraucht. Mit der von Roman Schwaller auf dem Tenorsaxophon luftig weich geblasenen Ballade „You Don’t Know What Love Is“ gibt es eine kleine Atempause, in der die Seele ein wenig schweben darf im Nirvana zwischen Glück und Sehnsucht, bevor sich der rauchig verhangen krächzende Bluesgesang des Altmeisters kopfüber in dessen „Satchmo Repertoire“ stürzt: „A Kiss To Build A Dream On“. Benny Bailey strotzt nur so vor Spiellaune, fühlt sich pudelwohl, locker wie im Proberaum. Die „Pennies From Heaven“ verschenkt er mit selten gehörter Geschmeidigkeit, so wie er seine eigenen „Peruvian Nights“ in sanfter Brise vom Strand her wehen lässt.

Benny Bailey und Roman Schwaller: Bei solch hochkarätigen Solisten steht selbstredend die Frontline im Mittelpunkt. Aber auch die Rhythmusgruppe mit dem intelligent swingenden Bernhard Pichl am Piano, dem knorrigen Rudi Engel am Bass und dem differenziert akzentuierenden Dejan Terzic am Schlagzeug hatte reichlich Gelegenheit sich auszuzeichnen. Das Quintet bereitete einen wunderbaren Abend, der die gute alte Zeit mit so viel Saft und Kraft beschwor, dass man sich von der gelassenen Lebensfreude des Seniors und seiner Juniorpartner gern ein paar Scheiben abschneiden mochte.