Bennie Wallace Tentet | 24.05.2008

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Ein Unisono-Riff von den sechs Bläsern und schon das erste Solo schickt heißen Feueratem in den Neuburg Jazzkeller. Das Bennie Wallace Tentet legt los mit Verve und Wucht, Starkstrom und Energie, wie wenn es das Leben gelte. Die Band, zehn Mann hoch auf der kleinen Bühne des Birdland, hält alles, was sich ein Jazzfan von einem Konzert nur versprechen kann.

Heiße Soli, rasante Ritte über die Skalen, Duette, Duelle, Verfolgungsjagden, satte Sätze, Power, Soul, schier unaufhaltsame Bewegung und leidenschaftliche Spannung. Schneller höher, weiter: Kein Millimeter Stillstand in Milt Jacksons „Hot Ride“ zu Beginn. Mit einer Coleman Hawkins-Ballade nimmt Bennie Wallace zwar erst mal Tempo raus, nicht jedoch Intensität. Sein Saxophon glüht förmlich vor Leidenschaft, schimmert im samtenen Klanggewand des Satzes und erschließt die Hitze, die sich in Duke Ellingtons „Caravan“ alsbald wieder in Bewegung setzt. Das ist schon ein beeindruckender Zug durch die Jazzgeschichte: Ein kompletter vierköpfiger Saxophonsatz, Trompete und Posaune, dahinter Piano, Gitarre, Bass und Schlagzeug. Das bringt allein schon durch den erzeugten Druck den Keller in Schwung. Der Gefahr, die Differenzierung durch Masse zu erdrücken, entgeht Bennie Wallace dabei leicht. Er ist nicht nur ein Solist von besonderen Gnaden, sondern auch ein Bandleader, der jede einzelne Stimme seiner Truppe glänzend in Szene zu setzen und auf das Ganze abzustimmen weiß. Alle Beteiligten imponieren mit wahren solistischen Drahtseilakten, allen voran Jesse Davis und Jerry Dodgion an den Altsaxophonen, Joe Magnarelli an der Trompete sowie Donald Vega am Piano, in „Disorder At The Border“, einem Coleman Hawkins-Klassiker, der Swing pur bringt, satte Lust an eleganter Linienführung, coolem Understatement auf der einen Seite, unvermuteten Ecken und Kanten auf der anderen. Keiner steht zurück, Alan Ferber legt im zweiten Set eine heiße Posaunenspur, Adam Schroeder steht dem am Baritonsaxophon in nichts nach, Adam Rafferty gibt an der Gitarre den Blues dazu. „Willow Weep For Me“ – nach balladiger Einleitung geht die Post im Hardbop ab, offenkundig mit höchstem Spaßfaktor auch auf der Bühne. Bennie Wallace braucht bei seinem immerhin vierten Auftritt in Neuburg an der Donau nicht eigens zu betonen, wie gern er im Birdland spielt. Als Solist ist er von einsamer Klasse, sein vibratoreich üppiger Sound hat Kraft und Volumen, Luft und Feeling, seine Melodieführung ist von frappanter Virtuosität, seine Improvisationen strotzen von Phantasie, Strahlkraft und Lebensenergie. So nah dran ist selten einer an den lebendigen Quellen des Jazz. Ein dickes Ausrufezeichen in einer an Höhepunkten wahrlich nicht armen Jubiläumssaison im Neuburger Birdland Jazzclub.