Beirach – Hübner – Mraz | 26.04.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Nicht die Interpretation klassischer Kompositionen, sondern deren Inspiration für die Reise ins Reich der improvisierten Musik stand im Mittelpunkt eines Abends „Round about Monteverdi“ im Birdland Jazzclub. Dabei zeigten Richie Beirach, Gregor Hübner und George Mraz, dass die alten Meister nicht nur für swingenden „Play Bach“, sondern auch für modernen Jazz jede Menge Potential bereit halten. Dass der Gig des Trios zeitlich mit dem Abschluss der Neuburger Osterwoche für Alte Musik zusammenfiel, war dann noch das Tüpfelchen auf dem i.

Nachdem Beirach – Hübner – Mraz im Dialog mit Béla Bartók und Frederico Mompou Brücken zwischen dem Jazz und der klassischen Moderne des 20. Jahrhunderts geschlagen haben, wenden sie sich in ihrem aktuellen Projekt entschlossen den alten Meistern zu: Da stehen nun Seit‘ an Seite mit Miles Davis, Bill Evans und Wayne Shorter Giovanni Pierluigi Palestrina, Heinrich Schütz, Giovanni Batista Pergolesi und Claudio Monteverdi Pate für lustvolle Improvisationen, selbstverständlich auch Johann Sebastian Bach, dessen Geist in Leipzig, wo Beirach als Professor für Jazzklavier lehrt, so ungeheuer lebendig ist. Alte und neue Welt, eine Siciliana von Bach und Miles Davis „Nardis“, das 1608 entstandene Lamento d’Arianna von Monteverdi und die 1966 komponierten Footprints von Wayne Shorter, Béla Bartóks Bagatelle Nr. 3 und Arthur Schwartz „You and the night and the music“ reichen sich die Hand. Mediterranes Sentiment und deutsche Strenge, Cool Jazz und Barock, swingende Standards aus dem Great American Songbook und modaler Jazz, donnernde Blockakkorde und schmeichelnde Melodieseligkeit, das alles amalgamiert zu einer denkbar eigenständigen Mischung moderner improvisierter Musik. Zwischen der „Green Dolphin Street“, Pergolesis Stabat Mater und Frederic Mompous musica callada Nr. 22 vermitteln sich prickelnde Intelligenz, perlende Kreativität und lustvolle Daseinsfreude in der Interaktion von drei Musikern, die Individualität und Gemeinsinn auf denkbar hohem Level zur Balance bringen. Gregor Hübner trägt mit sachlich-nüchternem Sound seinen Part bei zur derzeitigen Jazz-Renaissance der Geige, dem musikgeschichtlich so vielfach vorbelasteten Stiefkind des Jazz, das hier zum Träger des missing link zwischen den Stilgrenzen wird. Mraz lässt den Bass nur so sprudeln mit ideenreicher Linienführung, sonorem Sound, explosiven Intermezzi und beispielloser rhythmischer Souveränität. Beirach schließlich, der wohl eigenwilligste – und in seiner barocken Körperfülle wohl auch gewichtigste – aller Bill-Evans-Epigonen turnt äußerst beweglich in harmonischer Gewitztheit und mit höchst variabler Anschlagskultur zwischen allen möglichen Stilen und Stimmungen durch den unermesslichen Zaubergarten der Musikgeschichte.