Dameronia’s Legacy Allstar Octet „New York Meets Europe“ | 14.10.2021
Da benennt sich eine Band nach einem bereits vor mehr als 50 Jahren verstorbenen Musiker, Komponisten und Arrangeur, stellt eine Europa-Tournee fast ausschließlich mit seiner Musik auf die Beine und verbeugt sich ganz tief vor dessen musikalischem Erbe. Und dabei jährt sich nicht mal Tadd Dameron’s – um den handelt es sich – Geburts- oder Todestag. Warum also tut man so etwas?
Weil dieser Tadd Dameron (1917 – 1965) eine der herausragenden Figuren des melodischen Bebop ist? Weil seine hinreißenden Stücke so perfekt arrangiert sind, dass viele von ihnen im Real Book, der Bibel des Jazz schlechthin, Platz gefunden haben? Weil sich jeder lebende Arrangeur glücklich schätzen kann, sich auf ihn berufen zu dürfen? Weil der Jazz ohne ihn heute sicherlich anders klingen würde? Oder war einfach wieder mal Zeit für eine Würdigung?
Für Tadd Cameron ist immer die richtige Zeit. Klassiker aus seiner Feder wie „The Scene Is Clean“, „If You Could See Me Now“ oder „On A Misty Night“ klingen immer gut. Auch im Audi Forum, in dem an diesem Abend das „Dameronia’s Legacy Octet“ gastiert, eine amerikanisch-europäische Koproduktion, die der Schlagzeuger Bernd Reiter aus Graz ins Leben gerufen hat und der er selbst, Johannes Herrlich aus Wien (Posaune) Jon Boutellier aus Paris (Tenorsaxofon), Rik van den Bergh aus Rotterdam (Baritonsaxofon), Aldo Zunino und Andrea Pozzo aus Genua (Kontrabass und Klavier) und die beiden Amerikaner Jim Rotondi (Trompete, Flügelhorn) und Dick Oatts (Altsaxofon) angehören.
Was für eine handverlesene Truppe, welch großartige Musik. Das Oktett spielt die Original-Arrangements Damerons, die jener seinerzeit unter anderem auch für die großen Orchester von Billy Eckstine und Dizzy Gillespie geschrieben hat, arbeitet die Feinheiten optimal heraus, hochkonzentriert und doch mit beeindruckender Leichtigkeit. Mit jedem Takt wird deutlich, dass diese acht Herren nicht nur ihre Pflicht erfüllen, sondern ihre Tätigkeit in diesem Moment tatsächlich lieben. Man merkt es an der Art der Melodieübergabe an den Nahtstellen zwischen den Soli, am Blickkontakt, der Mimik und der Gestik, der nonverbalen Absprache während des Spielens. So funktioniert echtes Teamwork zwischen gleichberechtigten Partnern, die sich trotz ihrer jeweiligen Prominenz in den Dienst der gemeinsamen Sache stellen. Um Dameron’s bahnbrechende Stücke geht es hier, nicht um irgendwelche Egos oder Eitelkeiten.
Überraschend ist, dass das Publikum bis zum Ende hin relativ zurückhaltend bleibt. Es gibt zwar höflichen Applaus für besonders gelungene Soli und nach jedem Stück, aber echte Begeisterung hört sich anders an. Vielleicht sind die Nachwirkungen des Lockdowns und die damit verbundene Jazz-Abstinenz der Grund dafür. Eines der Dameron-Stücke an diesem Abend, der auch gleichzeitig der Startschuss für das 11. Birdland Radio Jazz Festival ist und deswegen vom Bayerischen Rundfunk mitgeschnitten wird, trägt den Titel „Hot House“. Damit ist der Zustand auf der Bühne recht gut beschrieben, weniger aber der im Auditorium.