Pünktlich um 2 Uhr morgens ist das 13. Birdland Radio Jazz Festival Geschichte. Eine vierstündige, vom Bayerischen Rundfunk über seine Sender BR-Klassik und B 2 live aus dem Birdland Jazzclub in die ganze Welt übertragene Jazznacht bildet den Abschluss der insgesamt acht Veranstaltungen umfassenden Reihe.
„Ein zwar kleines, aber feines Festival“ werden Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer, die beiden BR-Moderatoren vor Ort, nicht müde zu betonen, von Birdland Chef Manfred Rehm exzellent besetzt mit Künstlern, die man sonst nur in großen Locations hört oder mitunter auch gar nicht. Wobei das mit der Anzahl an Zuhörern ja immer relativ ist. Der Club mag ein begrenztes Fassungsvermögen haben, aber viele zehntausend Jazzfans gleichzeitig an den Radiogeräten erreicht man ja nun auch nicht alle Tage. Drei Stunden lang gibt’s mitgeschnittene Aufnahmen aus allen Konzerten, Interviews mit Musikern und Beobachtern des Festivals, ein Statement des Neuburger Oberbürgermeisters, und jede Menge Musik. Die erste Stunde zwischen 22 und 23 Uhr ist freilich der Band des Abends vorbehalten, wie immer einer noch jungen, eher unbekannten Truppe, der weltweite Aufmerksamkeit natürlich besonders gut tut.
Athina Kontou, in Köln lebende Kontrabassistin griechischer Herkunft, hat die Alt- und Sopransaxofonistin Luise Volkmann, den Pianisten Lucas Leidinger und den Schlagzeuger Dominik Mahning mitgebracht. Zusammen nennen sie sich Mother und haben sich darauf spezialisiert, traditionelle griechische Musik und Modern Jazz in einen gemeinsamen Kontext zu stellen. Stücke armenischen, thrakischen, kleinasiatischen Ursprungs, Lieder aus den Hafenspelunken der Ägäis, überlieferte traditionelle Tänze von einem nordgriechischen Marktplatz, Musik also, die geografisch und stilistisch bereits eine lange Reise hinter sich hat, wird nun durch Mother auf eine weitere geschickt, die in den Westen, in die Welt des Jazz führt, und diesem wieder eine dieser völlig überraschenden Varianten hinzufügt, die ihn so vielfältig machen und am Leben erhalten. Im Grunde ist die Band, die hier so eindeutig in die Zukunft weist, hervorragend geeignet als höchst hörenswerter und überraschender Abschluss eines Festivals, das selbst ja auch regelmäßig jedes Jahr im Herbst für eine Überraschung nach der anderen sorgt. „Klein, aber fein.“ Ja, es stimmt schon. Auch deswegen, weil das Publikum entsprechend mitzieht, sich einlässt mitunter auch auf etwas, was es vorher nicht kennt und begeistert Applaus spendet, nicht nur, weil es selbst mit auf Sendung ist, sondern weil es Kontou und ihr Ensemble ganz einfach verdient haben.
Nicht zuletzt hat das Ganze etwas mit Freiheit zu tun. Mit der Freiheit, die eigene Musik mitzunehmen, wenn man die Heimat verlassen muss, die Freiheit, sie am neuen Wohnort spielen zu dürfen, die Freiheit, den neuen Lebensraum auf sie wirken zu lassen, auch wenn sie sich dadurch verändert, die Möglichkeit auch, sie von den Zwängen der Tradition zu befreien, wenn jene zur Last werden. Wo besser wäre das möglich als in einem Genre, das genau das von Beginn an unterstützt, und anlässlich eines Festivals, das sich Offenheit und Vielfältigkeit ausdrücklich auf seine Fahnen geschrieben hat. Wie man hört, sind die Buchungen fürs nächste Jahr bereits weitgehend abgeschlossen. Was für tolle Nachrichten!