Athina Kontou „Mother“ | 18.11.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Pünktlich um 2 Uhr morgens ist das 13. Birdland Radio Jazz Festival Geschichte. Eine vierstündige, vom Bayerischen Rundfunk über seine Sender BR-Klassik und B 2 live aus dem Birdland Jazzclub in die ganze Welt übertragene Jazznacht bildet den Ab­schluss der insgesamt acht Veranstaltun­gen umfassenden Reihe.

„Ein zwar kleines, aber feines Festival“ werden Roland Spiegel und Ulrich Ha­bersetzer, die beiden BR-Moderatoren vor Ort, nicht müde zu betonen, von Birdland Chef Manfred Rehm exzellent besetzt mit Künstlern, die man sonst nur in großen Locations hört oder mitunter auch gar nicht. Wobei das mit der Anzahl an Zuhörern ja immer relativ ist. Der Club mag ein begrenztes Fassungsver­mögen haben, aber viele zehntausend Jazzfans gleichzeitig an den Radiogerä­ten erreicht man ja nun auch nicht alle Tage. Drei Stunden lang gibt’s mitge­schnittene Aufnahmen aus allen Konzer­ten, Interviews mit Musikern und Beob­achtern des Festivals, ein Statement des Neuburger Oberbürgermeisters, und jede Menge Musik. Die erste Stunde zwi­schen 22 und 23 Uhr ist freilich der Band des Abends vorbehalten, wie immer ei­ner noch jungen, eher unbekannten Trup­pe, der weltweite Aufmerksamkeit natür­lich besonders gut tut.

Athina Kontou, in Köln lebende Kon­trabassistin griechischer Herkunft, hat die Alt- und Sopransaxofonistin Luise ­Volkmann, den Pianisten Lucas Leidin­ger und den Schlagzeuger Dominik Mahning mitgebracht. Zusammen nen­nen sie sich Mother und haben sich dar­auf spezialisiert, traditionelle griechische Musik und Modern Jazz in einen ge­meinsamen Kontext zu stellen. Stücke armenischen, thrakischen, kleinasiati­schen Ursprungs, Lieder aus den Hafen­spelunken der Ägäis, überlieferte traditio­nelle Tänze von einem nordgrie­chischen Marktplatz, Musik also, die geografisch und stilistisch bereits eine lange Reise hinter sich hat, wird nun durch Mother auf eine weitere geschickt, die in den Westen, in die Welt des Jazz führt, und diesem wieder eine dieser völ­lig überraschenden Varianten hinzu­fügt, die ihn so vielfältig machen und am Le­ben erhalten. Im Grunde ist die Band, die hier so eindeutig in die Zukunft weist, hervorra­gend geeignet als höchst hörens­werter und überraschender Abschluss ei­nes Fes­tivals, das selbst ja auch regelmä­ßig je­des Jahr im Herbst für eine Überra­schung nach der anderen sorgt. „Klein, aber fein.“ Ja, es stimmt schon. Auch deswe­gen, weil das Publikum entspre­chend mitzieht, sich einlässt mitunter auch auf etwas, was es vorher nicht kennt und be­geistert Applaus spendet, nicht nur, weil es selbst mit auf Sendung ist, sondern weil es Kontou und ihr En­semble ganz einfach verdient haben.

Nicht zuletzt hat das Ganze etwas mit Freiheit zu tun. Mit der Freiheit, die ei­gene Musik mitzunehmen, wenn man die Heimat verlassen muss, die Freiheit, sie am neuen Wohnort spielen zu dürfen, die Freiheit, den neuen Lebensraum auf sie wirken zu lassen, auch wenn sie sich da­durch verändert, die Möglichkeit auch, sie von den Zwängen der Tradition zu befreien, wenn jene zur Last werden. Wo besser wäre das möglich als in einem Genre, das genau das von Beginn an un­terstützt, und anlässlich eines Festivals, das sich Offenheit und Vielfältigkeit aus­drücklich auf seine Fahnen geschrieben hat. Wie man hört, sind die Buchungen fürs nächste Jahr bereits weitgehend ab­geschlossen. Was für tolle Nachrichten!