Annette Bolz | 20.01.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Es heißt, daß vor allem ältere Herren immer wieder hoffnungslos dem geheimnisvollen Zauber einer Jazz-Vokalistin verfallen. Möglicherweise wecken ausdrucksstarke Frauenstimmen bei ihnen ja den längst verschollenen Wunsch nach ewiger Jugend, kitzeln an der harten Schale hehrer Männlichkeit und füttern ihre Phantasie immer wieder mit wilden Träumen. Eine Sängerin besitzt tatsächlich die Macht, mit Emotionen zu jonglieren. Wenn sie nur auf die Stärke ihrer Persönlichkeit setzt und nie in die Versuchung kommt, ihren Part an der Grenze zur schmerzhaften Belanglosigkeit herunterzuträllern.

, am Wochenende zum mittlerweile zweiten Mal im Neuburger „Birdland“ Jazzclub zu Gast, wäre so eine, die spielend Männerherzen (und nicht nur die!) höherschlagen lassen könnte. Die 27jährige Freiburgerin muß zweifellos zu den größten Hoffnungen der leicht kränkelnden nationalen Jazzszene gezählt werden, und das nach nur einem Jahr Professionalismus im Schlepptau der Combo des bekannten Münchner Drummers Harald Rüschenbaum.

Gerade jener Rüschenbaum bedeutet für das vom Rock und Funk kommende Stimmjuwel einen absoluten Glücksfall. Der Mentor vieler junger Jazzer im Freistaat entdeckte Annette Bolz 1994 für das von ihm geleitete Landes-Jugendjazzorchester Bayern, förderte sie und integrierte sie schließlich in seine Band. Was noch 1996 im „Birdland“ arg unbeholfen wirkte und Rüschenbaums berühmtes Näschen für Talente in Frage stellte, sollte sich nun zur Überraschung aller als leicht verspätetes Knospen einer wunderschönen Blume entpuppen.

Anstelle des schüchternen Mädchens, das zuletzt mehrfach den Einsatz verpaßte und sich mit beiden Händen schutzsuchend an ihr Mikrophon klammerte, stand eine betörend junge Frau auf der Bühne, die ihr gewachsenes Selbstbewußtsein in einer erfrischenden Auswahl rarer, schwieriger Songs aus dem „Real Book“ des Jazz wie Chick Coreas „High Wire“, Burton Lanes „On A Clear Day“ und Johnny Mandels „Cinnamon And Clove“ zur Schau stellte. Die Art, wie die Vokalistin ihr glasklares Organ mit dem rauchig-warmen Tenorsaxophon des 26jährigen Bamberger Till Martin paarte, daraus dramatische Nuancen ersann und guturale Scats einwarf, symbolisieren nachhaltig den immensen Fortschritt.

Wenn sich Annette Bolz freilich einer Ballade wie „Count Your Blessings“ von Irvin Berlin annimmt, dann fallen endgültig alle Mauern der Reserviertheit. Mit ihrer Mischung aus kindlicher Unschuld und leicht verhüllter, unaufdringlicher Erotik bringt sie das Kunststück fertig, Melancholie ohne den bekannt lästigen larmoyanten Unterton absolut glaubhaft zu transportieren.

Ein Extralob gebührt obendrein dem geschmackvoll-virtuosen Bassisten Hennig Sieverts, dem verblüffend „amerikanisch“ auftretenden Pianisten Walter Lang und Rüschenbaum mit seiner immensen Bandbreite variabler Rhythmen. Die Band stellte sich mit Haut und Haaren in den Dienst der Sängerin, umkreiste sie und wob ihr den idealen Teppich für ein hinreißendes Showcase