Anja Lechner – François Couturier | 27.09.2013

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Schuster bleib bei deinem Leisten! In aller Regel stimmt das. Nicht immer jedoch und immer seltener, zumindest was die Annäherung von Jazz und Klassik angeht, vor allem dann, wenn sich zwei Ausnahmekünstler wie die Cellistin Anja Lechner und der Pianist Francois Couturier auf die Suche nach der Schnittmenge von klassischer Contenance und improvisierter Nonchalance begeben.

Im Neuburger Birdland werden ja im Grunde alle Spielarten des Jazz gepflegt, Oldtime, Mainstream, Avantgarde. So ist immer wieder auch Platz für Projekte zwischen den Stühlen. Und da passen Lechner und Couturier wunderbar hin, vereinen sie doch barockes Flair, romantische Empfindsamkeit, impressionistische Imagination und improvisatorische Finesse in Genre übergreifender Gültigkeit. Dass sie dabei auch die melodischen und harmonischen Gepflogenheiten der westlichen Hemisphäre weit gen Osten überschreiten, gibt der Musik einen sehr eigenen zusätzlichen Reiz zwischen linearem und zyklischem Zeitempfinden.

Alles fließt, wusste schon der ionische Vorsokratiker Heraklit, verstand darunter die stete Veränderlichkeit der Zeiten. Dass in einer globalisierten Welt auch alles ineinander fließen kann, dabei keine im Kern der Ingredienzen fremde Emulsion, sondern wirkliche Lösung in der Einheit der Gegensätze entstehen kann, stellte ein schlafwandlerisch aufeinander eingestelltes Duo in beeindruckender Empathie unter Beweis.

Die Virtuosität des Gambisten und Bach-Zeitgenossen Carl Friedrich Abel, die Reiselust des armenischen Esoterikers und KomponistenGeorges Iwanowitsch Gurdjieff, die impressionistisch geprägte notierte Improvisation von Frederic Mompou und die orientalische Inspiration des tunesischen Oud-Spielers Anouar Brahem trafen in organischer, zuweilen freilich arg schöngeistiger Weise auf europäisch geprägtes Musizieren. Musik kann Brücken bauen. Manche Grenzüberschreitungen sind schlechtweg beglückend, erweitern den Horizont und betören Herz und Seele.

Hinweis: Einen weiteren Brückenschlag zwischen Jazz und Klassik präsentiert der Neuburger Jazzclub im Rahmen der Neuburger Barockkonzerte am 11. Oktober. Howard Alden und Helmut Nieberle werden „Neapolitanische Jazzguitar Stories“ erzählen.