Andy Scherrer Sextet | 12.04.2008

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Schon der Einstieg ließ keine Fragen offen: Das Andy Scherrer Sextett fegte eine steife Brise Hardbop in den Keller unter der Hofapotheke. Drei Saxophone auf einer Linie und Augenhöhe, dahinter eine kompakte Rhythmusgruppe und ein phantasiesprühender Pianist – wie immer im Birdland kamen auch verwöhnte Fans voll auf ihre Kosten.

Von Beginn an ist Energie im Raum. Mit Mal Waldrons „Blood and Guts“ aus dem Jahr 1969 beginnt die Band schon fast zu rocken, legt Tempo vor und gibt Gas, lässt dabei die Komplexität der Musik mit ihrem markanten Motiv in keiner Weise zu kurz kommen. Drei Tenorsaxophone entwickeln im Satz Power, Saft und Kraft, jede der drei Stimmen bleibt erkennbar, zeigt sich im Solo von charakteristischer Eigenart. Drei gleiche Instrumente, drei Sounds, drei Temperamente: Feuer, Erde, Luft, so klingen Jürg Bucher, Herwig Gradischnig und ihr gemeinsamer ehemaliger Lehrer Andy Scherrer, je im eigenen Element mit Esprit, Kreativität, packender Leidenschaft und kommunikativem Witz.

Dabei reicht die Bandbreite weit. Kontrastreich ist die Auswahl der Stücke, dem Hardbop-Knaller folgt die sinnlich-melancholische Ballade „For Anne“ aus der Feder des Drummers Dre Pallemaerts, in die Gradischnig mit der Bassklarinette osteuropäische Klanglichkeit webt, schwermütig und leicht zugleich. Dann wieder mit „Jordan is a Hard Road to Travel“ wird ein alter Gospel-Song mit allen Stilmitteln aus der guten alten Zeit des prämodernen Jazz behutsam und wirkungsvoll ins Heute übertragen.

Dre Pallemaerts zeigt sich als emanzipierter Drummer mit differenzierten kommunikativen Fähigkeiten, Fabian Gisler als ein Bassist, der überaus stabile Fundamente setzt. Ein brillantes Feuerwerk pianistischer Sonderklasse legt Bill Carrothers in der Keller, der aus Minneapolis stammende New Yorker Pianist, dessen Inspiration sich direkt aus dem Erbe Thelonious Monks zu speisen scheint, diesem Erbe jedoch bei allem Ernst zuweilen einen spielerischen, tänzerischen, leichten und komödiantisch ironischen Touch mitgibt, und zugleich in fast naiver Einfachheit kinderliedhafte Folksongs in den Raum zaubert.
Afrikanische Roots mit Mal Waldrons „Status Seeking/We diddit“ beschließen ein Konzert der Sonderklasse: Sensitive Momente, geheimnisvolle Verschränkungen und kraftvolle Bläsersätze, inspirierend, erfrischend, unorthodox!