Andy Middleton Quartet feat. Kenny Wheeler | 02.02.2001

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Nach Ack van Rooyen mit dem Paul Heller Quartet und nach dem Louis Hayes Quintet war mit dem Andy Middleton Quartet feat. Kenny Wheeler wieder eine generationenüberspannende Formation zu Gast im Birdland Jazzclub. Mit facettenreicher anspruchsvoller Musik setzte das Quintet einen Tag nach dem zehnjährigen Jahrestag der Eröffnung des Kellers unter der Hofapotheke wiederum ein Glanzlicht in die noch junge Saison 2001.

Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss? Wie wenn das alles so einfach wäre! Da fließt kein ruhiger Strom in der Mitte des Zeitgeistes, eher schon sprudelt ein frischer Quell munter über Stock und Stein, bahnt sich wie ein Bächlein helle seine Wege allem Widerstand zum Trotz und über alle Beschwernisse hinweg. Eine Band aus romantischen Philosophen steht da auf der Bühne, eindringlich, grenzüberschreitend, visionär. Kein Freejazz, der so viele schreckt, sondern erkennbar durchkomponierte Themen und klar strukturierte Improvisationen stehen im Vordergrund, doch wie so oft: Es kommt darauf an, was man daraus macht. Da ist Andy Middleton am Tenorsaxophon: eloquent, sicher, intelligent und reflektiert jongliert er mit Themen und Traditionen, sucht die Brüche und Ecken mehr als die glatten Flächen: „At the foot of the hill, again“ besinnt sich des Mythos von Sisyphus, der es sich schwer macht im Leben, aber seine Würde wahrt, „Federico“ entpuppt sich als ein explosives Wechselbad der Gefühle von beschwörender Dichte, von Henry Hey am Piano ergänzt durch beharrlich geradlinige Unberechenbarkeit. John Herbert am Bass besticht durch Eleganz, Ausdruck und einen ausgeprägten Sinn für die Tücke des Objekts, Owen Howard am Schlagzeug durch sein Gefühl für genau die richtige Dosierung von Drive und Dynamik. Kenny Wheeler schließlich lässt teilhaben am Innersten der Seele, singt und schreit in sein Instrument alle Zerrissenheiten und Zweifel hinein, aber auch alle Befreiung, die jenseits des Horizonts liegt, aber zumindest als Hoffnung immer Gegenwart ist. Und wenn es noch eines Beweises für die Klasse des Konzerts bedurft hätte: Kenny Wheeler lächelte, sogar mehrmals an diesem denkwürdigen Abend! Der kanadische Trompeter und Flügelhornist, bekannt für seine stoische Introvertiertheit und sein eher melancholisches Gemüt, hatte großen Spaß daran, mit einem Quartet der jüngeren Generation zu spielen, das die Fackel weiterträgt.