Andreas Willers „Old & New“ | 26.04.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Carla Bley, die große Pianistin und Organistin, die auch im Birdland in Neuburg zu hören und zu se­hen war, war nie eine Vertreterin des Free Jazz, aber ihren Kompositionen haftete stets etwas Subversives an. Ähn­liches könnte man auch vom Gitarristen Andreas Willers aus Berlin sagen. Der hat sich Carla’s Stücke, die sie in den Sechzigern häufig auf den Platten ihres Ehemannes Paul unterbrachte, vorge­nommen, um sie, wie es im Programm­heft des Birdland heißt, „auf ihre un­sichtbaren Wurzeln und Triebe hin zu untersuchen“.

Dabei kommt ihm zugute, dass er sel­ber wie auch Schlagzeuger Bill Elgart – jeder zu seiner Zeit – Teil der Bley-Band war und somit mit deren Stoff bestens vertraut ist. Im ersten Set verbindet Wil­lers vier, im zweiten fünf Titel aus Car­la’s und seiner eigenen Feder zu suitenar­tigen Gebilden und erklärt die Vorge­hensweise so: „Man weiß nie genau wo’s hingeht, aber auf dem Weg dorthin gilt es, verschiedene Stationen abzuklap­pern“. Damit spielt er an auf die notier­ten Eckpunkte, die angesteuert werden müssen, was dann durchaus abenteuer­lich klingen kann, aber nie planlos wirkt. Es gehe – wieder sei das Programmheft zitiert – um ein „chaotisch-geordnetes, ungeschütztes Mit-, Neben- und Durch­einander“, was aber an diesem speziellen Abend nur teilweise stimmt, weil „King Korn“, „Circus“ und Syndrome“ als die das jeweilige Set beschließenden Stücke durchaus griffig, themenbezogen und rhythmisch straff daherkommen und so­mit leichter konsumierbar sind als der Rest.

Das Quintett besteht aus Musikern, die durchaus ihr eigenes Ding durchziehen, aber nie vergessen, was eine Band, auch wenn sie im avantgardistischen Bereich tätig ist und sich jede Menge Freiheiten herausnimmt, im Endeffekt ausmacht, nämlich der kollektive Aspekt. Pianist Jan Lukas Roßmüller steuert immer wie­der kleine Kürzel bei, drückt sich aus quasi mit Hilfe der Stenographie statt in der Langform, Elgart verfügt über ein unerschöpfliches Reservoir an Schlagva­rianten und rhythmischen Optionen und lässt das Publikum den Groove spüren, indem er ihn umspielt anstatt ihn autori­tär vorzugeben. Und Meinrad Kneer am Kontrabass demonstriert mit warmem, sattem, rundem Ton, welch tolles Gerät der hauseigene Bass-Amp der Firma „Glockenklang“ doch ist.

Und so wird man also Zeuge, wie sich die Band hineintastet in das jeweilige Stück, das Thema sich allmählich her­ausschält, wie die Band sich und den Kompositionen Carla’s den Raum gibt, sich zu einem intensiven klanglichen Er­eignis zu verdichten, nur um anschlie­ßend wahlweise abrupt zu enden oder sich in einzelne Fasern aufzulösen oder einfach davonzuschweben. Dass dabei Willers Vorgehensweise der Carla’s oder Paul’s ziemlich nahekommt, ist folge­richtig und gewollt. Nur liegen dazwi­schen Jahrzehnte. „Old & New“ eben.

Natürlich operiert die Band Willers meilenweit entfernt vom Mainstream, auch von dem innerhalb des Jazz, dem Genre, in dem ja bekanntlich vieles geht, was anderswo nicht geht. Und weil es zum Konzept des Birdland nun mal ge­hört, die komplette Bandbreite des Jazz abzubilden, sind Konzerte dieser Art be­sonders wichtig und unverzichtbar. Und zudem in hohem Maße bereichernd und erfüllend für alle, die sich nicht mit ein­gefahrenen Hörgewohnheiten zufrieden geben.