Anderson – Bennink – Glerum – Kemenade | 16.01.2016

Donaukurier | Karl Leitner
 

Diese Band hat keinen Namen. Und sie braucht auch keinen. Denn wenn Ernst Glerum (Kontrabass), Paul Van Kemenade (Altsaxofon), Ray Anderson (Posaune) und Han Bennink (Schlagzeug) an einem Konzert beteiligt sind, weiß man im Grunde von vorne herein, dass ein Abend wie dieser im Birdland Jazzclub hochklassig werden wird. Nur weiß man vorab nicht unbedingt, in welche stilistische Richtung er sich entwickeln wird, sind die vier Protagonisten doch irgendwie allesamt musikalische Freigeister, wie es im Programmheft heißt.

Wobei die beiden zuletzt Genannten die Bekannteren sind. Anderson, in dessen virtuosem Spiel sich die gesamte Geschichte seines Instruments innerhalb des Jazz wiederspiegelt, ist ein kraftvoll zupackender und zugleich höchst differenziert zu Werke gehender Trombone-Fanatiker. Bennink und seine selbst konzipierten Drumsets gehörten etwa im Verein mit Peter Brötzmann und Eric Dolphy oder als Teil des Globe Unity Orchestra einst zur Speerspitze der europäischen Avantgarde und des Free Jazz. Dass – wenn zwei Musiker solchen Kalibers aufeinandertreffen im Birdland die Funken sprühen würden, war also abzusehen.

Und doch ist dieser Abend mit Verve, Witz und High Energy-Jazz weder abgehoben noch über die Maßen elitär. Bisweilen klingt das Quartett wie eine kleine Brassband, manchmal wehen Fetzen imaginärer Filmmusik durch das Gewölbe, es swingt, es rumpelt, bei „Close Enough“ riecht es nach Balkan, in dem Blues „Nothing Is Every“ schleicht eine Katze auf Samtpfoten um die Ecke, die „Alligatory Merengue“ geht voll in die Beine und „Who Is In Charge?“ springt einen mit ungezügelter Kraft förmlich an.

Was die beiden Bläser miteinander treiben, ist höchst erstaunlich. Jeder verfolgt oftmals bei der Themenvariation eine völlig eigenständige Spur, kümmert sich scheinbar gar nicht um den Partner. Dass sich beider Linien irgendwann kreuzen, ist klar, und sobald das geschieht, fängt die Sache an richtig zu knistern. Es sind immer wieder diese Lust an der Kollision, diese bewusst herbei geführten Situationen, in denen sich van Kemenade und Anderson in die Quere kommen, die diese Bläser-Section denn auch als solche sind diese beiden Solisten zu verstehen so besonders macht.

In schöner Unregelmäßigkeit geht das Quartett mit oder ohne Gastmusiker auch ins Studio, um eine neue CD einzuspielen. Erst letzte Woche wurde wieder ein Tonträger fertig gestellt, wie van Kemenade erzählt. Das gehört mit dazu, ersetzt aber nie und nimmer das Live-Erlebnis. Gerade bei einer Band, die wie diese für Energie, Lebendigkeit, Witz und Feuer steht, wird deutlich, dass Bühne und Konserve zwei völlig unterschiedliche Dinge sind.