Wer sich nach längerer Konzertabstinenz wegen dieses lästigen Virus namens Covid 19 mal wieder akustisch die Ohren durchblasen lassen möchte, der ist an diesem Abend im Audi Forum genau richtig. Nun gut, man muss sich erst mal dran gewöhnen, dass trotz vieler leerer Sitzplätze im weiten Rund das Forum tatsächlich als „ausverkauft“ gilt, aber was soll’s: Albie Donnelly und seine Band Supercharge haben damit kein Problem. „Wir haben auch schon mal vor zwei Zuhörern gespielt. Einer davon war ein Hund.“, sagt er. Der Mann stammt aus Liverpool und weiß, wie britischer Humor geht.
Und er hat die aufgezwungene Konzertpause anscheinend genutzt, um sein Programm zu überarbeiten. Manch kritischer Fan hatte ja in der Vergangenheit durchaus bemängelt, die Band stehe – trotz all ihrer technischen Makellosigkeit, trotz höchster Präzision und enormem Unterhaltungswert – ja doch eher still und spiele im Grunde seit mehreren Jahrzehnten immer wieder die gleichen Songs. Diese Kritik greift nun nicht mehr. Natürlich verzichten Donnelly (Tenorsaxofon), Thorsten Heizmann (Posaune), Jürgen Wieching (Baritonsaxofon), Andre Tolba (Gitarre). Sascha Kühn (Keyboards), Bolle Diekmann (Bass) und Uwe Petersen (Schlagzeug) nicht gänzlich auf sturmerprobte Kracher wie Johnny Guitar Watson’s „Gangster Of Love“, Roy Montrell’s „Mellow Saxophone“ oder B.B.King’s „Happy Birthday Blues“, etliche Nummern aber hat man von Supercharge noch nicht gehört. Zumindest in Ingolstadt nicht.
Selten setzte Donnelly seine Mannen dermaßen konsequent auf den reinrassigen Blues an. Er selbst war ja schon immer mehr ein Honker in der Nachfolge Big Jay McNeely’s als ein Jazz-Saxofonist, deswegen kommen ihm Howlin‘ Wolf und John Lee Hooker und deren ungestüme Vorgehensweise anscheinend gerade recht. Und mit Andre Tolba hat er zudem einen Gitarristen mit an Bord, der ab und zu sogar die Bläser in den Schatten stellt. Bei „The Loving Cup“, dem Klassiker der Paul Butterfield Bluesband, gewährt ihm Donnelly völlig freie Hand und der Bläser-Section eine Verschnaufpause. Tolba nutzt die Chance und macht die Nummer zum eigentlichen Highlight des Abends.
Supercharge sind ein Phänomen. Über all die Jahre sind Donnelly und seine Jungs sie immer irgendwie präsent und man meint, sie in- und auswendig zu kennen. Jedes mal freilich ist man wieder überrascht von der Spielfreude, der guten Laune, die sie regelmäßig entfachen, von der Coolness, mit der sie einem mit ihrem, von messerscharfen Bläsersätzen vorwärts gepeitschten, Rhythm ’n’Blues ein gehöriges Pfund auf die Ohren geben. Diesmal, im Audi Forum, beeindrucken sie besonders. Zum einen, weil man nach der Zwangspause im Konzertbetrieb nach etwas deftigerer Kost geradezu giert, zweitens weil der Anteil an neuem Material doch recht hoch ist. In der Tat: Die Live-Musik-Szene lebt. Und Supercharge auch.