Alan Broadbent Trio | 04.10.2019

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Ein wenig Selbstironie darf schon sein, auch an einem Jazzabend mit scheinbar einfachen, in Wahrheit aber perfekt konstruierten und sehr diszipliniert, man könnte sagen „sophisticated“ interpretierten Eigenkompositionen. Alan Broadbent, mit höchsten Preisen dekorierter Arangeuer, Komponist und Pianist, sagte also: „Heute werdet ihr gut einschlafen können“, nach dieser Art von Musik. Ohne freundliche Unterstützung durch einen Schlummertrunk oder gar durch kleine Helferlein, die uns die Pharmabranche anbietet.

Es stimmt schon, das Alan Broadbent Trio mit der wunderbar präzisen Sängerin Georgia Mancio, dem feinsinnigen Bassisten Phil Steen und dem souveränen Bandleader am Piano lässt die Zuhörer innerlich zur Ruhe kommen, mit einer intensiven, fast intimen Musik. Sie ist nicht mitreißend, etwa durch donnernde Akkordfolgen, exaltierte Ausbrüche der Gesangsstimme oder wilde Kapriolen auf dem Kontrabass. Der Sound dieses Trios ist aber hinreißend : hier zeigen uns drei perfekt aufeinander eingestimmte Künstler die Macht der sanften, der leisen Töne.

Über ein kontrolliertes Mezzoforte gehen die drei dynamisch nicht hinaus. Statt dessen entfaltet dieses Trio eine verblüffende Vielfalt von Klangfarben und weichem Melos in der Welt des Piano oder des Pianissimo. Das ist eine Art Alleinstellungsmerkmal im Kosmos des Jazz und auf seine Art (Welt-)Klasse.

Im ersten Moment könnte man den Eindruck gewinnen, hier bekomme man eine angenehme Barmusik geboten, schon gut, aber irgendwie auch dahinplätschernd. Das wäre eine oberflächliche Betrachtung. Tatsächlich sind große Könner am Werk – gerade bei Passagen, die rein von den Noten her betrachtet eher einfach wirken. Die Sängerin Georgia Mancio führt ihre samtene, zugleich aber kraftvolle Stimme durch eine Folge schönster Balladen,. Die junge Frau aus London artikuliert blitzsauber, sie bringt die tiefen Lagen zum Strahlen und lässt sich in der Höhe nicht ein einziges Mal zu unpassender Schärfe fortreißen. Songs wie „All my life“ oder „I can see you passing bye“ werden zum Erlebnis, das ist tiefes Gefühl ohne Gefühligkeit.

Weniger ist mehr, dieses Motto ist leicht dahingesagt, aber schwer zu realisieren. Für das Alan Broadbent Trio aber könnte man es vollständig gelten lassen. Niemand drängt sich nach vorne, keiner stürzt sich zu sehr ins Virtuose, das auch einmal in Richtung Blendwerk geht. Der Bassist schöpft die sonore Schönheit seines Instruments mit Leichtigkeit aus. Die Kompositionskunst des Bandleaders liefert Phil Steen dazu die ideale Vorlage, Musikalität und Mitdenken sind hier wichtiger als Fingerfertigkeit. Und was der Alan Broadbent selbst am Bösendorfer-Flügel zu bieten hat, ist einfach großartig. Kompositorisch, weil er mit wenigen Tönen die Struktur einer klassischen Bigband in den Birdland-Keller stellt. Musikalisch, weil Broadbent Gesang, Bass und Piano kammermusikalisch verdichtet. Und durch ein Feeling, das verrückte Modulationen genauso zum Schweben bringt wie den lockeren Swing und den Witz rhythmischer Einfälle.

Mancher hat vielleicht darauf gewartet, dass der Mann am Klavier einmal richtig hinlangt und sich fetzige Ausbrüche gönnt, die Tastatur rauf und runter. Alan Broadbent weiß, warum er darauf verzichtet. Und wer seine Interpretation des Miles-Davies-Klassikers „Solar“, im Duo mit dem Kontrabass, gehört hat, der konnte spüren, wie viel Kraft in der Beschränkung aufs Wesentliche liegt.