(Audi Forum Ingolstadt)
Nichts geht über eine Big Band, die mit voller Power rasiermesserscharfe Bläsersätze in den Saal pustet. Da kann es einem heiß und kalt den Rücken herab laufen, zumal wenn die Band auf Al Porcino hört, den Altmeister, der es immer noch Allen zeigt. „Mr. Leader“ war mit einem exquisit besetzten Jazzorchester im Audiforum zu Gast und hielt einfach Alles, was man sich von einer Swing-Band nur erwarten kann.
Am heutigen Samstag wird er 80 Jahre alt, über 60 davon hat er als Profimusiker zugebracht, als begehrter und brillanter Leadtrompeter in den klassischen großen Swingorchestern von Tommy Dorsey, Woody Herman, Gene Krupa und Stan Kenton, später u.a. bei Dizzy Gillespie und in der Thad Jones-Mel Lewis Band. Trompete spielt er heute nicht mehr, zu wenig Gelegenheit zum Üben, da machen die Lippen mit den Jahren nicht mehr mit. Als Bandleader jedoch merkt man dem älteren Herrn, der schon etwas steifbeinig die Bühne betritt, die Jahre nicht im Geringsten an. Al Porcino ist in jeder Sekunde Herr der Lage, dirigiert seine Band mit Verve und Elan, legt Wert auf akribisch erarbeitete Nuancen und kitzelt einen Sound aus dem 16 Musiker umfassenden Klangkörper heraus, von dem mancher Andere nur träumen kann. Niemand kann sich dem „Schwing“, wie es Porcino beharrlich nennt, entziehen, schon die erste Nummer des Abends, „Jeepers Creepers“ legt los wie wenn ein Turbolader zündete. Messerscharfe Trompeten, satte Posaunen, geschmeidige Saxophone und eine elastisch federnde Rhythmusgruppe sorgen für pure Freude. Nicht zu vergessen die Solisten: Michael Lutzeier z.B., der dem Baritonsaxophon Wärme und Rasanz zugleich entlockt, Franz Weyerer und Sebastian Strempel an den Trompeten oder Johannes Herrlich an der Posaune, als Special Guest schließlich der West Coast Pionier Herb Geller, immerhin auch schon schlappe 76, dessen schnittiges Altsaxophon nur so durch die Kurven fegt bei der „Music to dance to“, beim „Jumping with Symphony Sid“ oder bei den „Lucky Thirds“. Auch die Sängerin Annette Neuffer weiß ihre klar intonierende kultivierte Stimme gut in Szene zu setzen, umschmeichelt vom sanft drehenden 16-Zylinder-Motor einer perfekt abgestimmten Band. Dann wieder flottere Rhythmen, „Groovin‘ High“ und zum Schluss stehende Ovationen von einem begeisterten Publikum, das solchen Jazz im Audiforum in vollen Zügen genoss.