Al Porcino Big Band, feat. Herb Geller | 12.05.2005

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

(Audi Forum Ingolstadt)

Schrullig ist er schon ein bisschen, und sein seltsamer Humor muss nicht immer jeder Frau`s Sache sein. „Mr. Leader“ redet gern und viel. Oder besser: Er radebrecht in einem sonderbaren Slang, bei dem sich der deutsche Sinn nicht auf Anhieb erschließt und die amerikanische Intension nie ganz leugnen lässt. Ein wenig selbstverliebt, manchmal auch unsicher oder gar nervös. Schließlich steht ja draußen vor dem Audi-Forum ein großer Ü-Wagen des Bayerischen Rundfunks, der das Gastspiel von Al Porcino in Ingolstadt zu seinem bevorstehenden 80. Geburtstag am heutigen Samstag für die BR-Serie „Jazz auf Reisen“ sowie eine spätere CD für Audi und den „Birdland“-Jazzclub aufnimmt.

„Allright, lassen Sie uns machen ein bisschen Schwing“, schlägt der große, alte Mann der großen Jazzorchester jovial vor. „Schwing“ nennt Porcino schon immer das, was jüngere Generationen als Groove bezeichnen würden. Jener elektrisierende Erregungszustand, der Finger schnippen und Füße wippen lässt, der früher Massen in Verzückung versetzte und heute allenfalls Spezialisten ein seliges Lächeln abringt. Ihm hat sich der in München lebende Italo-Amerikaner mit Haut und Haaren verschrieben, und das schon seit mehr als 60 Jahren als schneidig-präziser Lead-Trompeter an der Seite von Frank Sinatra, Charlie Parker, Count Basie, Judy Garland, Ella Fitzgerald oder Ray Charles, allen zeitgeistigen Sperenzchen trotzend.

Al Porcino ist im Laufe der Jahrzehnte zu einer Art Kreuzritter des „Schwing“ geworden, manchmal aber auch eine Art Don Quichotte, der vergeblich gegen die Windmühlenflügel des Zeitgeistes anrennt. An diesem Tag gilt es, diese bemerkenswerte Unbeugsamkeit gebührend zu feiern, ihr wenigstens ein kleines Denkmal im Jahrhundert der Reizüberflutung zu setzen. Der Klangkörper, der sich zu seinen Ehren komplett in Schwarz gewandet hat, tönt  freilich mitnichten altmodisch. Vielmehr gleicht er einem Who`s who der jungen bayerischen Jazzszene: Der unglaublich soulig-lyrisch agierende Pianist Walter Lang, der Posaunist Johannes Herrlich mit dem gleichnamigen Ton, der strahlend-akzentuierte Trompeter Franz Weyerer sowie der momentan beste deutsche Baritonsaxofonist Michael Lutzeier, dem der Chef berechtigterweise viel Platz für Soli einräumt.

Die Band schnurrt wie ein Starkstromgenerator, weil Porcinos Arrangements eine perfekte Spannung aufbauen. Der Jubilar schneidet Standards passgenau zurecht, er schreibt direkt, ohne Umschweife immer auf den Punkt. Den „Schwing-Punkt“. Ob nun „T´n´T“ von Johnny Mandel, das luftig wie ein Audi TT mit offenem Verdeck über die Rampe braust, „Greensleaves“, das sich als Jazz-Walzer mit vielen unerwarteten Nuancen, Kanten und schillernden Ausrufezeichen entpuppt, oder „Groovin` High“, die rasante Hetzjagd über Harmonien und Taktstriche, bei der Stargast Herb Geller am Altsaxofon akkurat gezeichnete Linien voller Reife und Schönheit setzt. Alles wirkt wie ein späte Rechtfertigung für ein konsequentes, aber nicht immer stromlinienförmiges Leben im Dienste der einzig wahren Musik.

Er habe einen Traum, radebrecht Al Porcino am Schluss. Ein Lastwagen möge sämtliche Supermarktparkplätze Deutschlands ansteuern und die Seiteklappe hochfahren, damit seine Big Band spielen und die Leute aus allen Himmelsrichtungen anlocken könne. Schlicht die gute Sache des „Schwing“ verbreiten. „Nicht diesen ganz Rocklärm“, muss er unbedingt noch loswerden, obwohl die meisten seiner Musiker gerade mit Rock das Gros ihres Lebensunterhaltes verdienen. An diesem Tag und in seinem Alter nimmt ihm das jedoch keiner mehr übel. Happy Birthday Mr. Leader!