Al Foster Quartet | 25.09.1999

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

 

Wenn es von Al Foster etwas zu lernen gibt, dann dies: nicht auf die Instrumentierung kommt es an, sondern nur auf die Einstellung. Auch mit einer klassischen Besetzungsvariante wie dem Quartett lässt sich an jedem Ort der Welt problemlos großer, moderner Jazz modellieren.

Eine Sichtweise, die keine Breschen schlägt, keine Heiligtümer stürzt, keine Signale setzt. Die Innovation findet hier ausschließlich im Kopf statt. Einer wie der Ausnahmedrummer, der 13 Jahre lang für den sagenhaften Groove bei Miles Davis verantwortlich war, zeigt heute jedem, der bereit ist, sich vom zwanghaften Drang nach Aussergewöhnlichem zu lösen, dass es doch noch eine ganze Menge unbekannter ästhetischer Kostbarkeiten in der Musik zu entdecken gibt.

Die Individualität seiner kongenialen Partner zum Beispiel, die im Neuburger „Birdland“-Jazzclub mit behutsamen Preziosen dem Anti-Zeitgeist einen roten Teppich ausrollten. Natürlich muß die Synergie stimmen, und hier beweist Foster als Leader ein exzellentes Händchen. Das Ensemble tritt wie ein komplexes, sorgsam austariertes Gesamtinstrument auf und bietet dessen Mitgliedern trotzdem alle Freiräume für ihre farbigen Improvisationen. Eine basisdemokratische Einheit, in der gerade der Boss nie hemmungslos drauflosknüppelt. Fosters Trümpfe liegen im komplexen, rhythmisch vertrackten Drumming, unscheinbar dominant, ungemein souverän und klug auf die vielfältigen Nuancen eines musikalischen Gesamtprozesses achtend.

Die Präsenz des Schlagzeugers scheint in jeder Note greifbar, obwohl er selbst kaum zu sehen ist. Den Hocker heruntergeschraubt, dass er wie ein Formel-Eins-Pilot in seinem Boliden kauert, die Becken hochkant als Schutzschild vor dem Gesicht aufgebaut, kreiselt er wie ein Windrad über das gesamte Set und liefert einige der spannendsten Drumsoli seit langem. Foster, der Ur-Rhythmiker, der alle Tempi dieser Erde mit der Muttermilch aufgesogen hat und obendrein auch noch seine ureigenen Vorstellungen von einem funktionierenden Jazz-Kollektiv mit prickelnden Eigenkompositionen forciert.

„The Chief“ etwa im federnden 6/8-Beat benützt er keineswegs, wie viele vermuten, selbst als Maßanzug, sondern vermacht ihn dem omnipräsenten Bassisten Doug Weiss. Tiefdunkel und groß im Ton, erfüllt der die traditionelle Rolle des Begleiters mit ganz neuem Leben. Ein geschmackvolles Sopransaxofon bläst Ted Nugent in der Ballade „Brandy“. Kühl, trocken, schnörkellos – ein Melodiker reinsten Wassers, der aber am Tenor auch unverkennbare Schwächen aufweist.

Die Entdeckung des kurzweiligen Konzerts trägt freilich den Namen Aaron Goldberg und bedient die 88 Tasten des Flügels auf eine Weise, wie dies momentan nur ganz wenige beherrschen. Mit rasenden Läufen, rauher Attacke, uhrwerkgleicher Linker, verblüffenden metrischen Verschiebungen, und verschlungener Gestaltungskraft dosiert er die Schubkraft jedes Höhenflugs. Besser als im spritzigen, witzigen, genialen „Monk Up And Down“ kann ein Pianosolo wohl kaum mehr gelingen. Das Jahrhunderttalent kommt am 5. November bei den Ingolstädter Jazztagen mit der Joshua Redman Group noch einmal in regionale Hörweite. Warum Goldberg es schaffte, einen Hochkaräter wie Brad Mehldau aus der Band zu boxen, wußte zumindest an diesem Abend bereits jeder im begeisterten Publikum.