Aki Takase- Alexander von Schlippenbach | 30.11.2013

Augsburger Allgemeine | Reinhard Köchl
 

Szenen einer Ehe: Einer haut drauf, der andere wehrt sich. Mal subtil, mal zornig, mal versteckt, mal direkt. Fließend tauschen sie ihre Rollen, wechseln die Plätze auf der Klavierbank, duellieren oder liebkosen sich, der eine im Diskant, der andere im Bassbereich. Das Faszinierende: Alles folgt intuitiven Regeln, bei denen keiner eine bestimmte Grenze überschreitet. Wut und Zärtlichkeit, brachiale Gewalt und filigrane Virtuosität finden unter ihren Händen auf seltsame Weise eine stimmige Balance.

Seit einem Vierteljahrhundert sind Aki Takase und Alexander von Schlippenbach miteinander verheiratet. Zwei Jazzpianisten von Weltruf, jeder für sich ein Säulenheiliger der Avantgarde, aber von ihrer Spielhaltung her erfrischend verschieden. Die eine liebt die heftigen stilistischen Sprünge im Rahmen der gültigen Parameter, der andere den kalkulierten Tabubruch. Im Neuburger „Birdland“ geben sie eines ihrer raren Duokonzerte, und das noch dazu vierhändig auf einem Flügel. Dabei kommen sie sich nicht so häufig in die Quere, als wenn sie sich gegenüber sitzen würden. Aber die Gefahr besteht sowieso selten: Die zierliche Japanerin und der knorrige Berliner wissen genau, wie der andere tickt. Und so geraten ihre Intermezzi zu kleinen Lehrstunden über Raumaufteilung, nonverbale Kommunikation und intuitive Reaktion.

Die Partner fürs Leben, die ihre jüngste gemeinsame CD sinnigerweise „Iron Wedding“ nennen, lassen 20 Finger wie gehetzte Skorpione übers Elfenbein wuseln. Dem Resultat ihrer skurrilen, widerborstigen und doch wundersam einvernehmlichen Hausmusik verpassen Takase-Schlippenbach Namen wie „12 Tone Tales“, „Allegro Agitato“, „Dr. Beat“ oder getreu dem Veranstaltungsort „Bavarian Calypso“. Noch eine Spur eindrucksvoller geraten freilich die Solo-Exkurse beider Ehehälften. Aki Takase bezaubert vor der Pause mit ebenso eigenwilligen, nuancierten wie intimen Ellington-Interpretationen aus ihrer fernöstlichen Berliner Sichtweise. Alexander von Schlippenbach kredenzt in Hälfte zwei mit seinem typischen gläsernen Anschlag verlorene lyrische Träumereien und Monk-Variationen („Green Chimneys“), die gerade wegen ihrer störrischen Andersseins weitaus näher am Original liegen, als alle beflissenen Plagiate.

Mit kantigen atonalen Blockgewittern entstauben beide nach Leibeskräften die Klaviatur und servieren atemberaubende Tempo- und Harmoniewechsel von geradezu beglückender Unlogik, bei der – wie in jeder guten Ehe – der Mann das letzte Wort hat. Ein eingespieltes, frenetisch umjubeltes Dreamteam. Bis dass der Ton sie scheidet.