Adrian Mears‘ New Orleans Hardbop | 02.03.2019

Neuburger Rundschau | Julia Abspacher
 

Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte haben die Gemäuer des Hofapothekenkellers schon alle erdenklichen Varianten des Jazz gehört, und doch mag der vergangene Freitagabend auch für sie einige Überraschungen und Neuheiten bereit gehalten haben. Das Trio „Grünen“ gastierte im Neuburger Birdland und spielte Jazz, der einfach anders ist. Im Programm als „Modern“ kategorisiert erwies sich dies fast als Untertreibung, auf die Spitze getriebene Improvisation eröffnete neue und gänzlich unerwartete Klangwelten und sorgte für Hochspannung.

Grünen – kein Ausdruck der politischen Einstellung, sondern vom Verb „grünen“ im Sinne von sprießen oder wachsen abgeleitet – besteht aus dem Pianisten Achim Kaufmann, Robert Landfermann am Bass sowie dem überragenden Christian Lillinger an Drums und Percussion. Seit einigen Jahren treten die Musiker in dieser Konstellation gemeinsam auf und haben in dieser Zeit ihre ganz eigene Tonsprache entwickelt. Und während sie sich zwar als Einheit zusammengefunden haben, mutet es die ganze Zeit doch auch so an, als würde jeder von ihnen für sich ein eigenes, vollständig improvisiertes Konzert geben. Ein Stück hat einen Anfang und ein Ende, soviel ist klar – doch was dazwischen geschieht ist ungewiss. Extravagant und anarchisch schwappt die Musik von Grünen über das Publikum herein, als würde man einen Erdrutsch vertonen.

Mal polyrhythmisch und dissonant, mal wohlklingend harmonisch schimmern verschiedenste Facetten durch. Rhythmisch-strukturierte Sequenzen wechseln sich mit willkürlichen Momenten ab und Sorgen für Spannung und die dauernde Ungewissheit, was als nächstes geschieht. Und werfen die Frage auf, ob die Musiker selbst das wohl wissen. Mal spielen sie Passagen minutenlang durch, mal lassen sie nur einzelne Töne sporadisch in die Luft fallen und verklingen. Wie ein klanggewordenes Werk von Jackson Pollock steckt in dem Wahnsinn jedoch Methode, alles ergibt am Ende ein stimmiges Gesamtbild.

Aber nicht nur das Trio als Ganzes geht in seinem Zusammenspiel an die Grenzen, sondern auch die individuellen Instrumente erklingen an und für sich oft extravaganter, gewagter und aberwitziger, als sie dies für gewöhnlich zu tun pflegen. Wie eine nicht enden wollende Verkettung von Soli, bei der ein Instrument dem anderen ständig die Rolle des Protagonisten abnimmt, blenden einzelne Episoden und Stücke ineinander über. Insgesamt keine einfache Musik, die sich nicht leicht erspüren lässt, sondern eher intellektuell zugänglich und bisweilen auch fordernd und anstrengend ist, und dennoch hoch emotional.

Vielleicht war es dem Publikum etwas zu exzentrisch, fanden sich an diesem Abend doch nur rund zwei Dutzend Zuhörer im Birdland ein. Die aber, die gekommen waren, zeigten sich restlos begeistert.