Adrian Mears New Orleans Hardbop | 17.09.2004

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Also wieder so eine dieser offenbar noch nicht ausprobierten Kombinationen. Passt die überhaupt? Vom bloßen Hörensagen klingt sie auf jeden Fall wie „Mainzer Funk“ oder „Berliner Zwiefacher“.

„New Orleans Hardbop“, das Motto, das der australische Wunderbassist Adrian Mears für seine neue Formationen ersonnen hat und mit dem er sich jetzt auch im Neuburger „Birdland“-Jazzclub vorstellte, beinhaltet nämlich einen ziemlich mutigen zeitlichen Umgriff von 50 bis 70 Jahren sowie die Überbrückung einer Distanz von mehreren Tausend Meilen vom Süden Amerikas bis an die Ostküste. In New Orleans, der Wiege des Jazz, entstanden in den Straßen und Bordellen Musikstile wie Ragtime, Cajun, Cydeco und vor allem Blues, während in New York die von Bebop ermüdeten Jazzmusiker in den 50er, 60er Jahren Elemente des Soul und Funk einfließen lassen. So viel zur Theorie.

Die Praxis beweist uns gerade im Falle von Adrian Mears` putzmunterem Quintett, dass es eigentlich nichts gibt, was nicht geht – vor allem, wenn derart fulminante Musiker zu Werke gehen. Der Bandleader muss nämlich nicht lange nach dem gemeinsamen Nenner zwischen New Orleans und Hardbop suchen, zumal es sich dabei um alles andere als den kleinsten handelt. Das typische afroamerikanische Rhythmusmuster schweißt ganz automatisch zusammen, was eigentlich längst zusammen gehört hätte. Ein Titel wie „Flying in the Sky“, der sich wie ein Feuerrad auf der Bühne des Hofapothekenkellers dreht, dürfte selbst hartgesottene Skeptiker schlagartig überzeugt haben.

Die Formation rumpelt wie eine Marchingband dahin, wobei ausgerechnet ein waschechter Schlagzeuger aus New Orleans das originär scheppernde Drumming beisteuert: Jeff Boudreaux. Neben ihm brennt es derweil lichterloh. Der vielseitige Schweizer Tenorsaxofonist Domenic Landolf haucht flammende Noten und glühend heiße Licks aus seinem Schalltrichter, der grandiose amerikanische Pianist Peter Madsen (der am gleich Tag Vater einer Tochter wurde) rast förmlich über die Tasten, lässt funky Funken fliegen und treibt die Betriebstemperaturen des Flügels tief in den roten Bereich. Und dann noch Mears: Ein Voodoo-Zauberer, der keine billigen Tricks vorgaukelt, sondern ausschließlich durch aufrichtige Posaunenmagie die Sterne vom Himmel Louisianas holt.

Es lebe der Kontrast: Kurz nach der Pause „Durg“, ein schleppender, schlurfender Blues aus der dunkelsten Ecke des French Quaters, dort wo die Ur-Grooves auf öligen Pfützen dahin treiben. Mears presst sein Solo durch den Plunger, als sei er ein nervöser Breitmaulfrosch, der sich gerade vor einem Begräbniszug in Sicherheit bringen will. Ohne den geschmackvoll kolorierenden Bassisten Stephan Kurmann, der im schleppenden Stechschritt dahinwalkt, könnten solch bizarre Bilder vor dem geistigen Auge überhaupt nicht entstehen.

Eine Bündel frischer, variabler, enorm anregender Eigenkompositionen, bei denen die Band manchmal noch ein klein wenig exakter die Wendemarken der Tempi setzen könnte. Dazu ein harmonisch völlig unorthodoxes „In a sentimental Mood“, nur von Mears und Landolf, mit einem ziemlich fahrigen Intro und einem ziemlich genialen Mittelteil. Diese Mischung stimmt, macht Spaß und weckt allemal die Lebensgeister. Warum also sollten Gumbo und Hamburger nicht zusammenpassen? Beides ist Fastfood mit Langzeitwirkung.