Adam Nussbaum Quartet | 24.09.2021

Neuburger Rundschau | Thomas Eder
 

Kennt jemand Hudson „Huddy“ Ledbetter? Der 1949 im Alter von 60 Jahren in New York verstorbene schwarze Blues- und Folk-Sänger aus Louisiana war damals wie heute unter dem Namen Leadbelly bekannt. Es waren einfach gestrickte Songs, mit denen er sein Publikum erreichte und die er selbst meistens nur mit einer Gitarre begleitete. Wichtig waren ihm die Aussagen in seinen Texten, mit denen er das Leid der schwarzen amerikanischen Bevölkerung beklagte und die Menschen im Land aufrütteln wollte. Und er wollte davon leben. Seine Werke wurden von bekannten Folk- und Rockmusikern adaptiert und waren auch Thema des Konzerts am Freitag nach Sonnenuntergang im Birdland Jazzclub.

Aber was macht ein Jazzinstrumentalist jetzt aus textlastiger und akkordarmer Musik? Was unvorbestellbar erschien entpuppte sich zu einer Offenbarung. Wie Schlagzeuger und Bandchef Adam Nussbaum, die beiden Gitarristen Nate Radley und Steve Cardenas und der Tenorsaxophonist Ohad Talmor aus Leadbellys Liedern breite Klangteppiche knüpften und ineinander verwoben, das hatte etwas Meditatives und Mitreißendes. Man wurde durch verschiedenartige Miniaturen hineingesogen in eine Art Rausch, in dem man ewig schweben wollte, der aber irgendwann schlagartig in eine ganz andere Atmosphäre mündete.

Adam Nussbaum erfüllte sich mit dieser Band einen Kindheitstraum. Diese einfache Musik auf den Schallplatten seiner Eltern prägte ihn früh. Was lag also näher, als diese alten Songs in neue Gewänder zu kleiden. Die beiden Telecaster-Gitarren sollten Leadbellys Zwölfsaitige imitieren und das Saxophon die Stimme. Und Adam war als Schlagzeuger halt das neue Element.

Im Vordergrund standen die beiden Gitarren, die sich ständig unterhielten. So kam es einem vor. Mal mit Folk- und Country-Elementen wie man sie von Bill Frisell kennt, mal mit sphärischen Klängen in der Art von Jakob Bro, mit verzerrten Einlagen wie bei der Rockband Ram Jam oder mit monumentalen Soundkaskaden im Stil der frühen Pink Floyd. Auch glaubte man zeitweise in der Preservation Hall von New Orleans zu sitzen und im Hintergrund die Schaufelraddampfer auf dem Mississippi zu hören. Und dazwischen die Stimme am Saxophon, die sich immer rein schmeichelte und dann auch ganz eindeutig und unbemerkt die Führung übernahm.

Hier ging es nicht um schneller, besser, höher hinaus, nein, hier wurde die Einfachheit und Schönheit der Musik zelebriert. Keiner drängte sich in den Vordergrund, alle waren ein großes Ganzes. Und es passierte etwas Neues und das war der Fingerabdruck von Adam Nussbaum, dessen ergreifendes Schlagzeugspiel wie die vollendete Hintergrundmusik zu einem Naturschauspiel wirkte.

Wer sich mit Leadbelly beschäftigt hat, der konnte an diesem Abend im Birdland den Geist seiner Musik und der Geschichte selbst ohne gesungenen Text fühlen oder zumindest erahnen. Ein einmaliges Erlebnis.