Niels-Henning Ørsted Pedersen (Nachruf) | 21.04.2005

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Es ist ein Gerücht, das sich bis heute hartnäckig hält. Patrick Süskind hätte für seinen Erfolgsroman „Der Kontrabass“ angeblich einen ganz bestimmten Holzkorpus im Sinn gehabt: den von Niels-Henning Ørsted Pedersen.

Der langjährige Partner und Freund des Jazzpianisten Oscar Peterson kam oft und gerne nach Deutschland. Regelmäßig gastierte er in München, wo ihn Süskind möglicherweise heimlich bewundert hat; in den vergangenen Jahren aber auch mit Peterson bei den Sommerkonzerten zwischen Altmühl und Donau in Ingolstadt (2000) sowie bei den Neuburger Barockkonzerten (2001). Pedersens letzter Auftritt in der Region liegt nicht einmal 15 Monate zurück: Im Januar 2004 bot er im Neuburger „Birdland“-Jazzclub ein grandioses akustisches Spektakel, das in die fast 50-jährige Geschichte des Clubs einging.

Dass NHØP, wie ihn Fans der Einfachheit halber wegen seines langen Namens nannten, Lyriker wie Musiker gleichermaßen anzuregen verstand, lag an der ihm eigenen Art, den Kontrabass zu spielen. Während das Gros der zupfenden Kollegen häufig nur ein dumpfes Donnergrollen produzierte, verwandelte er sich in den Händen des großen Dänen pausenlos. Mal perlten Töne klar und sauber wie Tautropfen vom Steg, mal klangen sie vollreif wie eine vom Baum gefallene Kirsche, dann wieder süß wie ein dicker Klecks Honig oder so emotional und echt wie eine Träne. Bei ihm bekam jeder Bass Flügel. Und die Menschen um ihn herum große Ohren.

In New York galt das kleine Örtchen Ishoj bei Kopenhagen, wo  Ørsted Pedersen wohnte, arbeitete und das Leben genoss, als feinste Swingadresse Europas. Mit gerade mal 14 Jahren nahm er seine erste Platte auf. Im „Montmartre Jazz House“ in Kopenhagen verpflichteten sie ihn als Hausbassist, wo er alle Großen dieser Zeit begleiteten durfte: Dexter Gordon, Ben Webster, Johnny Griffin, Lee Konitz, Bud Powell, Sonny Rollins, Yusef Lateef oder Bill Evans. 1970 fragte der große Oscar Peterson bei ihm nach, ob er nicht seinen kranken Bassisten ersetzen wolle – niemand konnte ahnen, dass sich daraus eine der fruchtbarsten Beziehungen der Jazzgeschichte entwickeln sollte. Pedersen bewegte sich durch seine überragende Technik ebenso sicher in klassischer Kammermusik wie – dank des sanften Anstoßes seiner drei Töchter – an der Seite von Al Jarreau, Randy Crawford und B. B. King.

Am Dienstag ist Niels-Hennig Ørsted Pedersen im Alter von nur 58 Jahren an den Folgen einer schweren Krankheit verstorben. Seine nachschwingenden Laute, seine flinken, bombensicheren Griffe im oberen Bereich, diese raffinierte Coolness beim Auflösen der Harmonien, die auch leise Melodien in jeder Sequenz hörbar werden lassen, leben dagegen auf mehreren Hundert Platten weiter.