Dennis Gäbel’s Good Spirits | 29.10.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die „Good Spirits“, die „Guten Geister“ haben nichts mit Hallo­ween zu tun, auch wenn’s zeitlich gerade passen würde, sondern vielmehr mit dem Tenorsaxofonisten Denis Gäbel, der vor einiger Jahren einfach von Köln nach New York ging, um die Jazzwelt zu er­obern, und dermaßen gut ankam, dass er von dort den Schlagzeuger Clarence Penn und den Kontrabassisten Reuben Rogers mitbrachte, die längst mehr sind als lediglich Kollegen, mit ihnen unter dem Bandnamen zwei exzellente CDs einspielte und die „Volume 2“ nun kom­plett im Birdland vorstellte.

Es gibt Phasen in diesem herausragen­den Konzert, die kommen tatsächlich fast einer magischen Geisterstunde nah, wofür auch noch Sebastian Sternal am Klavier maßgeblich verantwortlich ist. Ihn kennt man auch als grandiosen Solis­ten, der vor ziemlich genau zwei Jahren im Birdland eines der Lockdown-Radio-Geisterkonzerte ohne Publikum gab. Nun brilliert er als Teamworker, wobei er und Penn am Schlagzeug sich dermaßen gut verstehen, sich gegenseitig angrinsen und sich lustbetont und aus dem Augen­blick heraus komplette melodische Staf­feten zuwerfen, dass man aus dem Stau­nen gar nicht herauskommt. Wenn einer die Intensität steigert, zieht der andere sofort nach, im Schlepptau den Rest der Band. Sternal hat ein Faible für rasende Sturzbäche, Tonkaskaden, Säbel ist ähn­lich gestrickt Auch der Bandchef liefert sich ein Duell ums andere mit dem Pia­nisten, verbeißt sich in seine eigenen Kompositionen, die allesamt eine atem­beraubende Mischung aus Spontaneität und Arrangements darstellen.

Die Eckdaten sind festgelegt, dann lässt man es ganz einfach laufen. Und wie es läuft, sprudelt, strömt und tost rund her­um um das verkantete Thema von „View“, in der trotz ungeraden Metrums mitreißenden Straight Ahead-Nummer „Confident“, im Power Swing von „Loo­se Ends“. Die Stücke werden von der ganzen Band gemeinsam im Laufe ihrer Aufführung weiterentwickelt, manchmal auch in eine Richtung, die Gäbel als de­ren Urheber gar nicht im Auge hatte. „Diese drei sind einfach so starke und gleichzeitig aufmerksame Musiker, dass ich gar nichts sagen muss“, erzählt er.

Die Balladen schließlich sind es, die das Adjektiv „magisch“ rechtfertigen. „Mood“ vor und „Good Friend“ nach der Pause sind die Highlights eines Abends, der im Grunde nur aus Highlights be­steht. Ganz wichtig ist hier Reuben Ro­gers, der sie mit Hilfe seines singenden Instruments auf ein geradezu perfekt ausgelotetes Fundament stellt. Dieses Schwergewicht am Kontrabass, das bei Charles Lloyd und Joshua Redman spiel­te, weiß wahrlich, was es tut. Genau so müssen diese Stücke klingen. Zärtlich, intim, aber auch geerdet und unumstöß­lich. Dass das Publikum andächtig lauscht und man trotz des ausverkauften Saals nicht einmal ein Hüsteln hört, spricht Bände.

Nach knapp zwei Stunden verabschie­den sich die Musiker, langsam leert sich der Saal. Es ist die Nacht, in der man wegen der Zeitumstellung eine Stunde geschenkt bekommt. Und als Bonbon heuer die Good Spirits obendrauf. „Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht los.“ heißt es im Zauberlehrling. In die­sem Fall wollten wir sie auch gar nicht loswerden.