Yuri Honing | 22.11.2014

Neuburger Rundschau | Stephanie Knauer
 

Nicht nur an musikalische Naturgewalten erinnerten das langsame Aufpumpen, der orgiastische Gipfelsturm und das Erschlaffen danach. Musik kann und darf sinnlich sein und manchmal auch übersinnlich. Eine Prise Philosophisches mischte mit beim live übertragenen Gastauftritt des „Yuri Honing Acoustic Quartet“ im Neuburger Jazzclub „Birdland“ am Freitag, beim „Jazz ohne Grenzen“, wie BR-Klassik-Moderator Ulrich Habersetzer mit gutem Grund die Musik beschrieb: klassische und Jazz-Melodien, minimalistische Patterns, barocke Figuren, Filmmusik-Musical-Hymnisches, Klangebenen-Spaziergänge mit dem jedes Mal wirkenden Wunder der Dur-Aufhellung, Archaisches, Garbarek-Weite, außer-übliche Tonerzeugung, Stil-Genesen – was nach Patchwork klingen könnte, war hier gelassen genommene, fließende Einheit, Weltmusikjazz im umfassenden Sinn, sehr entspannt, fast immer mit langem, stimmungsvollem Intro, gewaltigem Aufbau zum Gipfel und ausgiebigem Ausklang mit Ansätzen zu neuen Anfängen. Der holländische Tenorsaxofonist und Primus inter pares Yuri Honing hielt, was der Ankündigungstext versprach, denn den „unverwechselbaren Ton“ hatte er wirklich, charismatisch, weich und klangvoll, dazu eine breite Palette an Farben und sprechender Tonformung und die Begabung zu wunderbar langen Bögen, zu überraschenden aber passenden Einwürfen und Gedanken, aber auch zu Dave-Liebman-ähnlichem Skalenrasen. Auf gleicher Welle spielten seine Kollegen. Pianist Wolfert Brederode, der kurz willkommene trocken-perlende Jazz-Seiten zeigte, „füllte“ und unterfütterte mit satten Akkordfolgen und laufenden Brechungen, färbte goldrichtig ein mit Röhrenglocken-gleichen Pizzicati, mit dem halberstickten Ton manuell gedämpfter Saiten. Auch Bassist Gulli Gudmundsson überraschte mit ungewohnten Bassklängen, mit Didgeridoo-Brummen, gekonnt intoniertem Flageolett, Orgelpunktschatten über altertümlicher Weise. Den exponiertesten Part des exzellenten „Begleit“-Trios hatte Schlagzeuger Joost Lijbaart, der neben seiner Drumstation ein unerwartet zierliches Glockenarsenal postiert hatte. Sein ebenfalls meist wellenähnlich schiebender Groove war die tiefe Entsprechung zur Saxofonstimme, rahmendes Gerüst und rhythmisches Bett, selten mit hartem, Zäsur darstellendem Schlag. Ein außergewöhnlicher und gehaltvoller Welt-Musik-Abend.