Willi Johanns Quintett – Bebop spoken here | 09.02.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Vor ein paar Tagen erst feierte Willi Johanns seinen 85. Geburtstag. „Das Fossil singt immer noch!“ ruft er gleich zu Beginn seines Konzerts im Neuburger Birdland Jazzclub ins Publikum. Der Mann hat erstens Humor und zweitens recht. Das ganze Konzert über wird der erste Scatsänger, den die damals noch recht junge Bundesrepublik hervorgebracht hat, verschmitzt in die Runde grinsen und zusätzlich – Klischee hin oder her – den Beleg dafür liefern, dass Jazz jung hält und dass man in keinem Genre – den Blues mal ausgenommen – derart in Würde altern kann wie in diesem.

Zusammen mit der Altsaxofonistin Carolyn Breuer, dem Pianisten Uli Kleiner, dem Kontrabassisten Martin Gjakonovski und dem Schlagzeuger Axel Pape hat Johanns sich für den Abend im Birdland Standards wie „Nice And Easy“, „Embreacable You“ und „Satin Doll“ ausgesucht. In den Textpassagen merkt man ihm das fortgeschrittene Alter an. Seine Intonation ist naturgemäß nicht mehr so wie zu den Zeiten, als er mit Albert Mangelsdorff, Kurt Edelhagen Joe Haider oder Freddie Brocksieper arbeitete, als bei den großen TV-Shows am Samstagabend noch waschechte Big Bands zu hören waren. Fängt er allerdings an zu scatten, also nur mit Lauten und Silben zu improvisieren, seine Stimme wie ein Instrument einzusetzen und Soli zu singen, dann ist er immer noch großartig. „Was Bobby McFerrin kann, das kann ich auch“, sagt er zwischendrin, und legt eine A Capella-Version des Ellington Klassikers „It Don’t Mean A Thing“ hin, die sich in jeder Hinsicht gewaschen hat. Das Scatting sei sein Markenzeichen. Diese Gesangsweise gebe ihm wegen ihrer Unabhängigkeit von einem vorgegebenen Text die Freiheit, die er so sehr liebe, sagt er. Im Grunde ist er ein Instrumentalist.

In jedem Set überlässt er einen Song allein seiner Band, zieht sich kurz zurück, um Atem zu schöpfen. Einen davon nutzt Carolyn Breuer für ihre Komposition „Hektor The Protektor“, ein wunderbares Stück Modern Jazz und zugleich einer der Höhepunkte des Abends. Die anderen steuert Johanns bei, etwa seinen „Dirty Blues“, den er Muddy Waters widmet. Wäre jener Jazzer gewesen, hätte er vermutlich so ähnlich geklungen wie das Willi Johanns Quintett an dieser Stelle des Konzerts.

Am Ende muss er zwei Zugaben geben. „Damit hatte ich nicht gerechnet“, sagt er, und belohnt sein Publikum mit Theo Makebens „Bei dir war es immer so schön“, und zwar in einer Version, die so richtig unter die Haut geht. Hätte es sich um ein Popkonzert gehandelt, wäre hier der passende Moment gewesen, die Feuerzeuge auszupacken. In abgewandelter Form gilt die Überschrift der Schlussnummer auch für das Konzert. „Bei dir war es wirklich sehr schön“. Humorvoll, entspannt, äußerst unterhaltsam, ein klein wenig nostalgisch freilich auch. Aber das gehört bei einer Legende wie Willi Johanns selbstverständlich mit dazu.