Vincent Herring Quartet | 16.10.2004

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Technik, Drive und jede Menge Soul. Mit Vincent Herring gab einer der beachtenswertesten Postbopper der mittleren Generation eine beeindruckende Visitenkarte am Donauufer ab. Für alle, die’s vielleicht vergessen hatten: Zumindest was die Bebop und Hardbop-Tradition angeht sind uns die Amis doch mehr als nur eine Nasenlänge voraus, nicht nur, was Technik und Timing, Präzision und Perfektion betrifft.

Mit dem knapp 40jährigen Vincent Hering präsentierte der Birdland Jazzclub einen Altsaxophonisten, den kein Geringerer als Julian „Cannonball“ Adderleys Bruder Nat als die Zukunft des Jazz bezeichnete. Tief verwurzelt in der Tradition des Hardbop, in blitzgescheit wirbelnden Strudeln solistischer Extraklasse steht Herring ganz im Hier und Jetzt konzentrierter Gegenwärtigkeit, zeigt an, wo die Messlatte liegt. Nicht nur er: Auch die Band setzt Maßstäbe, Essiet Essiet z.B. mit dem in Puncto Timing, Intonation und Groove besten Basssolo, das der Neuburger Jazzclub seit langem zu hören bekam, Danny Grisset mit so intelligent hurtigen wie unwiderstehlich stimmigen Husarenritten über’s Elfenbein des Bösendorfers. Joris Dudli, der gebürtige Schweizer, inzwischen US-Bürger, vereint mit knackig kraftvollem und zugleich fein ziseliertem funky Groove am Schlagzeug Geradlinigkeit und rhythmische Komplexität. Herring schließlich, als Frontman Primus inter Pares des sehr kompakt agierenden Quartetts, besticht durch den bezwingenden Fluss der Ideen und Linien, den kraftvoll strahlenden Sound seines Horns und eine solch brillante Einheit von Technik und Ausdruck, dass dem Publikum spätestens mit John Lennons „Norwegian Wood“ schlicht die Spucke wegbleibt.