Tony Pancella Quartet | 25.02.2002

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Dem Fußballfan sind Absagen der „gesetzten“ Stars derzeit nichts Ungewohntes, und auch Jan Ullrich musste seine Teilnahme an der Tour der Leiden heuer absagen. Angesichts solcher Nachrichten erstaunte denn das krankheitsbedingte Nichtantreten Enrico Pieranunzis im Birdland Jazzclub kaum mehr: Der Einsatz der Ersatzleute wird zunehmend zur Normalität in unseren überanstrengten Tagen. So musste wiederum das Tony Pancella Trio ran, konnte zum zweiten Mal innerhalb von 14 Tagen zeigen, wie intensiv es sich auf einen Solisten einzustellen weiß.

Durchaus standesgemäß vertrat der jüngere Tony Pancella den römischen Altmeister am Bösendorfer. Für die Qualität des Jazz vom Stiefel spricht eine lange Tradition. Tony Pancella ist einer der jungen Musiker, die bereit stehen, die Fackel weiterzutragen. Wie Enrico Pieranunzi (Gute Besserung nach Bologna!) bewegt er sich gewöhnlich in der lyrisch-romantischen Linie der Bill-Evans-Jünger. Nicht so an diesem Abend: Gemeinsam mit den bemerkenswerten Pietro Iodice am Schlagzeug und dem agilen Aldo Vigorito am Bass lässt er nicht nur den mediterranen Sternenhimmel romantischer Nächte am Strand erstrahlen und die ZuhörerInnen im ausverkauften Birdland teilhaben an betörender „Sentimental Mood“, sondern stellt auch ein ausgeprägtes Faible für Temperament und Esprit unter Beweis. Nicht zuletzt der „very special guest“ Rosario Giuliani am Altsaxophon bringt dazu ein ganzes Paket aus energiegeladener Phantasie, druckvollem Powerplay und urban pulsierendem Leben mit, verlegt den „Scrapple From The Apple“ kurzerhand an die Donau: „Now’s The Time“. Aus der Not macht die Ersatzmannschaft eine Tugend, setzt genau die richtige publikumswirksame Mischung aus Uptempo und Balladen, Bebop und Swing, „Cherokee“ und Seele, und zeigt so, wie die guten alten Standards der Vierziger immer noch und immer wieder zum Abheben taugen. Wenn sich unsere Fußballer in Japan und Korea nur ansatzweise so gut schlagen sollten wie das Tony Pancella Trio mit Rosario Giuliani im Jazzclub, dann sollte mindestens das Halbfinale drin sein für Rudis-Reste-Rampe. Das grüne Trikot des Sprintbesten bei der Tour de France wird sowieso verteidigt.