Die Liste französischer Jazzgeiger ist beeindruckend. Stéphane Grapelli, Didier Lockwood und Jean-Luc Ponty stehen ganz oben. Hart auf den Fersen ist ihnen Théo Ceccaldi, einer der jungen Wilden des französischen Jazz. Zusammen mit Valentin Ceccaldi am Kontrabaß und Guillaume Aknine an der elektrisch verstärkten Gitarre wird er eigens für dieses eine Konzert im Neuburger Birdland Jazzclub aus Paris eingeflogen. Wenn man einen wie ihn am Haken hat, scheut man weder Mühe noch Kosten.
Das Programm des Abends heißt zwar „Django“ und bezieht sich auch auf das Erbe des Erfinders des Gypsy Swing, und irgendwie irrlichtert der Meister auch im Gewölbe des Jazzkellers herum, richtig greifbar wird seine Musik aber nur phasenweise. Ceccaldi, der Derwisch an der Geige, hat nämlich eine diebische Freude daran, Reinhardts Stücke, etwa dessen „Rhythme Futur“ oder sein „Blues En Mineur“, zu zerlegen, zu verfremden, neu zusammenzusetzen, eigene Vorstellungen zu integrieren. Kompositionsfetzen Reinhardts tauchen zwar auf, manchmal freilich erkennt man sie erst auf den zweiten Blick und manchmal auch gar nicht. Und Ceccaldi grinst, sofern er sich mal eine Atempause gönnt, von der Bühne, erklärt, die Annahme, der Abend sei als eine Hommage an Reinhardt gedacht, sei im Grunde ja ein Missverständnis und von der eben gehörten Suite mit dem Titel „Six Pouces Sous Mer“ bezögen sich im Höchstfall drei Akkorde auf Reinhardt.
Ceccaldi spielt mit vollem Risiko und mit vollem Körpereinsatz. Manchmal kommt er wie auf Samtpfoten daher, dann wieder fährt er die Krallen aus, pendelt zwischen Zeitlupe und Raserei, zirpt, schleift, zupft, spielt weite Bögen und rasante Pizzicati. Sein Einfallsreichtum hinsichtlich dessen, was er spielt und wie er dies tut, scheint unerschöpf- lich. Bruder Valentin am Kontrabass ist der unerbittliche Pulsgeber, teils stoisch vorwärts marschierend, teils röhrend, schnarrend und schnurrend, bei Bedarf aber auch ganz subtil und zärtlich. Und Aknine schließlich ist der Mann für die Sounds, die Klangfarben zwischen scheinbar aus dem Off herüberwehenden Echos und bodenständigen Rockriffs.
Die beiden Sets zu je 50 Minuten vergehen wie im Fluge. Die Energie, die vor allem Théo Ceccaldi verströmt, ist im Saal spürbar, überträgt sich aufs Publikum. Bereits nach der einleitenden Nummer brandet heftiger Applaus auf. Was dann kommt, trägt stellenweise dramatische Züge. Man sitzt angespannt im Auditorium und schaut und hört dem Treiben dort oben auf der Bühne fasziniert zu. Das Publikum ist absolut gebannt, und das angesichts einer Musik, die ja eigentlich alles andere als eingängig ist und den Erwartungen widerspricht, die man angesichts der mit der Überschrift „Django“ geschürten Assoziation „Gypsy Swing“ ja durchaus hätte haben können.
Nein, mit einer herkömmlichen Sichtweise hat dieses Trio nichts zu tun, stellt vielmehr Reinhardt in ein komplett neues, selbst entwickeltes Umfeld, knallt das Ergebnis dem Publikum jedoch nicht einfach vor die Nase, sondern nimmt es an der Hand und entführt es umsichtig in seine Welt. Was sich jenes genüsslich gefallen lässt. Ein Klangfestival auf 14 Saiten!