Der Gewölbekeller des Birdland Neuburg ist meist gut gefüllt bis ausverkauft, wenn hier hochkarätige Jazzer aus der ganzen Welt auftreten. Diesmal war es ein wenig anders, aber der Stimmung im Publikum und der Spiellaune von „The Toughest Tenors“ nahm das nichts weg. Schon das erste, fetzige Stück setzte den Ton des Abends: Zupackend, mitreißend und in einem heißen Forte – aber nicht so massiv, dass die feine Akustik des alten Hofapothekenkellers überrollt worden wäre.
Tenors, das meint hier keine männlichen Gesangsakrobaten, sondern bezeichnet die Instrumente
der beiden Bandleader Patrick Braun und Bernd Suchland, die sich als Teufelskerle auf ihren Tenorsaxofonen präsentieren. Was sie in wilden Soli auf die Bühne bringen und fast noch mehr in ihren hochraffinierten Duo-Passagen, das hat ein Alleinstellungsmerkmal in der aktuellen Jazz-Szene. Und der Drive, den Dan-Robin Matthies (Klavier), Lars Gühlke (Bass) und Ralf Ruh (Schlagzeug) zum Sound dieser Band beisteuern, macht das Zuhören vergnüglich.
Und alle fünf sind auch körperlich voll dabei. Der Bassist zupft aus den vier Saiten alles heraus, was möglich ist – und vergrößert seinen Aktionsradius oft durch fast tänzerische Einlagen. Auch der Mann am Schlagzeug ist mehr als nur musikalisch voll präsent. Ein Ausnahme von diesem Gestus an den drums und am Bass macht der Pianist. Er agiert mit innerer Ruhe, virtuos abgeklärt mit feinem Händchen. Alle drei inspirieren die beiden Tenorsaxofonisten mit verlockenden musikalischen Angeboten, die man einfach nicht ablehnen kann.
Die Combo hat eine Vorliebe für die großen Standards der 50er und 60er Jahre, und dieses Quintett macht daraus eine spannende eigene Version. Die beiden Saxofone produzieren im Duo wunderbare schräge, spannungsgeladene Intervalle von der kleinen und der großen Sexte über Quarten und Terzen bis hin zu frechen Sekund-Reibungen. Ein facettenreicher Kosmos, der auch durch seine rhythmische Klarheit den Zuhörer einfängt. Und als Solisten lassen Bernd Suchland und Patrick Braun sowieso nichts anbrennen.
„Smile Stacey“, „Again and again“, „You or no one“ von Baxter Gordon oder auch die Ballade „Midnight sun“ von Lionel Hampton erhalten in der Interpretation dieser Band – mit improvisierten Geistesblitzen angereichert – einen frischen, leuchtenden Charakter. Dichte Harmonien und ein ganz eigenes Feeling sorgen dafür, dass auch die wildesten virtuosen Ausbrüche nicht manieristisch für sich stehen, sondern musikalisch veredelt werden.
Ein wenig verrückte Einfälle wie etwa halsbrecherische Triller-Oktavsprünge rauf und runter auf dem Saxofon und auch manche Kapriole an den drums werden so auf stimmige Weise integriert. Diese fünf Musiker machen keine Show, sondern großen Jazz.