The Golden Striker Trio | 26.05.2011

Augsburger Allgemeine | Reinhard Köchl
 

Bassisten eignen sich perfekt für feierliche Anlässe. Sie verströmen Eleganz, Noblesse, Diskretion und Klugheit, versöhnen und führen zusammen. Die Diplomaten des Jazz. Also muss es mehr als nur ein Zufall gewesen sein, dass der große Ray Brown vor fast genau zehn Jahren die Konzertreihe „Jazz im Audi Forum Ingolstadt“ eröffnen durfte. Seither strömten rund 50 000 Besucher in etwa 380 Konzerte, die der Automobilkonzern in Zusammenarbeit mit dem Birdland Jazzclub Neuburg veranstaltete. Insofern lag es auf der Hand, zum Jubiläum abermals einem Bassisten die Zügel in die Hand zu geben: Ron Carter. Er vollendete mit dem Golden Striker Trio das erste Kapitel einer ungewöhnlichen Erfolgsgeschichte.

Kaum vorstellbar, dass der Mann einst mit Miles Davis die Demarkationslinie des harmonischen Konzepts überschritt oder mit der Band A Tribe Called Quest millionenfach verkauften Pop aufnahm. Heute, mit 75 Jahren, durchmisst Carter mit dem Pianisten Mulgrew Miller und dem Gitarristen Bobby Broom mit dosierten, sensiblen Schritten einen begrenzten, aber hoch spannenden Kreis, der in seinen Händen auf wundersame Weise zum Quadrat mutiert. Aus dem Kosmos der grenzenlosen Musik ist der Tieftöner längst in sein Wohnzimmer heimgekehrt: zu den Songs des Great American Songbook.

Keine altersbedingte Bankrotterklärung, sondern eine Summe von Erfahrungen. Wenn Carter und Co. die ewigen Gassenhauer benutzen, dann geht es nur noch um Ausdruck, Form, eine große Linie der Ästhetik. Bedienungen tasten sich vorsichtig vorwärts, keiner wagt, auf seinem Stuhl zu rutschen oder sich zu räuspern. Musik auf Zehenspitzen, bei der das innere Licht automatisch gedimmt wird, der Herzschlag sich verlangsamt und Noten wie Federn durch das Audi Forum schweben.

Dieser hölzerne Korpus im Zentrum der Bühne führt wie kein anderer aus der Zunft ein Leben neben dem obligaten Walkingbass. Geduldig, überlegt und mit seiner ganzen natürlichen Autorität ordnen er und sein Besitzer die Dinge, stellen Zusammenhänge her und erklären mit wenigen, prägnanten Tönen den Lauf der Musik. Links und rechts spielen sich Broom und Miller die Bälle zu. Der Sonny Rollins-Gitarrist kontrastiert das lyrisch verträumte Piano des Ex-Jazz Messengers unaufdringlich, aber höchst effektiv mit Blues-Einschüben oder leuchtend schwebenden Akkordbögen. Ein intimes Duett Carters mit Broom mündet schließlich in eines der feinsten Basssolos, das je auf dieser Bühne erklang. Während der Grandseigneur „You Are My Sunshine“ biegt, dekliniert und auseinandernimmt, prasselt draußen der Regen auf das Dach des Audi-Forums. Das ist große, leise Kunst.