The Georgie Fame Family Trio | 11.11.2017

Augsburger Allgemeine | Reinhard Köchl
 

Ursprünglich hätte ja sein Kumpel Van Morrison nach Neuburg kommen sollen. Doch ein Konzert mit dem irischen Kauz ist im Gegensatz zu dessen Alben wie Vögel fangen oder Geister fotografieren: Eine ziemlich unsichere Unternehmung.

Dann schon lieber Georgie Fame. Kein Ersatz, obwohl er als jahrzehntelanger Sideman auch eine Prise Morrisonscher Authentizität mit ins restlos ausverkaufte „Birdland“ bringt. Denn Fame ist längst selbst ein Star mit Legendenstatus; freundlich, den Besuchern zugewandt und in Sachen Spielfreude gerade wegen seiner 74 Jahre ein absoluter Garant für einen beseelten, höchst anregenden Abend. Wobei sich trefflich darüber streiten ließe, ob nun der musikalische Genuss überwiegt, oder die vielen kleinen Anekdoten den Reiz des Abends ausmachen, bei der jede für sich ein Stück gelebte Musikgeschichte darstellt. Etwa, als ihm Jimi Hendrix 1967 seinen Drummer Mitch Mitchell „stahl“. Oder dass sein allererster Hit „Get Away“ eigentlich als Werbejingle für Tankstellen gedacht war, dann aber die Spitze der britischen Charts stürmte.

Die Menschen im Neuburger Jazzclub lauschen fasziniert. Denn der Mann, der im bürgerlichen Leben Clive Powell heißt, verbindet die Schwänke aus der Vergangenheit mit höchst aktuellen, frischen Klängen. Der Sound, den er zusammen mit seinen Söhnen Tristan Powell (Gitarre) und James Powell (Drums) in die Katakomben des Hofapothekenkellers schickt, zeichnet sich durch virtuose Kantigkeit und die Beschränkung auf das wirklich Wesentliche aus. Keine Schnörksel, nur Musik.

Bei Georgie Fame läuft vieles über die bewährte Rezeptur des Blues, seien es die Countryballaden seiner Freunde Willie Nelson und Ry Cooder oder alte Jazz-Schlachtrösser wie „Georgia On My Mind“ von Hoagy Carmichael. Was vor allem am wirklich sensationellen Klang seiner Hammond B3-Orgel liegt, der so heutzutage eigentlich nirgendwo mehr zu hören ist. Sämig, fett, voller Druck und vieler kleiner, feiner Details entwickelt der britische Gentleman ein geradezu seismografisches Gefühl für den wahren Groove. Mit seinen pianistischen Fähigkeiten durchmisst Fame jeden Song, lotet ihn aus, lässt die Harmonien lässig pendeln und schwerelos schweben.

Beinahe wäre man auch versucht, den Mann als wandelnde Jukebox zu verunglimpfen, weil nahezu alle Songs einen hohen Wiedererkennungswert besitzen. Aber dies würde ihm an einem solchen Abend, den der Bayerische Rundfunk im Rahmen des 7. Birdland Radio Festivals aufzeichnet, kaum gerecht. Selbst scheinbar totgenudelte Kamellen wie „Yeh Yeh“, „Somebody Stole My Thunder“ oder „The Ballad of Bonnie And Clyde“ variiert die Familiencombo pausenlos und überführt sie lustvoll in einen kernig-eckigen Shuffle-Rhythmus.

Es sind Erinnerungen an eine bessere, eine gradlinigere, eine freiere Zeit, die Georgie Fame weckt. Nicht im nostalgisch-verklärten Sinn, sondern als Mahnung, nicht jeder aktuellen Entwicklung tatenlos zuzusehen. Als Zugabe intonieren er und seine Söhne Bob Dylans „Everything Is Broken“, um gegen die Orientierungslosigkeit von Gesellschaft und Politik zu protestieren. Dazu lässt er das Publikum, das ihm längst aus der Hand frisst, einen deftigen Refrain mitsingen, der in den USA mit einem langen Pfeifton unterlegt würde. Doch, er darf das! Weil es außer ihm kaum jemand mehr auf diese elegante, coole und nachhaltige Weise macht.