The Count Basie Orchestra | 15.11.2001

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

(Audi Forum Ingolstadt)

Eine berühmte Band, deren Namensgeber schon längst das Zeitliche gesegnet hat, mahnt immer zur Vorsicht. Gerade in Ingolstadt tauchten in jüngster Zeit ein paar musikalische Phantome auf, die fleißig weiter an alten Legenden strickten, aber bei Lichte betrachtet eigentlich bloß kommerzgierige Leichenfledderei im Schilde führten.

Muss also selbst das Count Basie Orchestra, das am Donnerstagabend im erstmals ausverkauften Kinosaal des Museum Mobile im Ingolstädter Audi-Forum gastierte, unter die geschickt arrangierten Pietätlosigkeiten eingereiht werden? Es fiele leicht, solches zu vermuten, obschon aus der aktiven Phase des Big Band-Leaders aus Red Bank noch sechs Recken mit dabei sind und eine gewisse Authentizität garantieren. Aber Basies (auch testamentarisch verfügtes) Ideal bei der Besetzung seines Klangkörpers lautete stets, dessen Frische und nicht die individuellen Eitelkeiten zu pflegen. So herrscht seit 1935 ein fröhliches Kommen und Gehen, das selbstverständlich auch den Tod des Count 1984 einschloss, aber den unverwechselbar relaxt swingenden Sound der Band auf seltsam-wunderbare Weise bis zum heutigen Tag konservierte.

Natürlich auch in Ingolstadt, gerade im Audi-Forum, das sich wegen seiner vorzüglichen Akustik immer mehr zu einer wichtigen Konzertbühne mausert. Basies Erben und Weggefährten breiten dort einen luftig-wallenden Klangteppich aus; wasserdicht geknüpft, aber mitnichten synthetisch. Vielleicht liegt es an der überlieferten Orchesterdisziplin, in der alles und jeder seinen Platz hat: die hitzigen Riffs, die kantige Breaks, die überbordenden Solisten, die Arrangements von Basie persönlich ausgewählten Notensetzern…

Obwohl dessen offizieller Nachlassverwalter Grover Mitchell wegen Krankheit zu Hause bleiben musste, scheint der Geist des Chefs doch omnipräsent. Die Bläsersätze in „Blues in Horse`s Flat“ haben nichts von ihrer strotzenden Kraft eingebüßt, die Instrumentengruppen stehen in aberwitzig schnellen Läufen wie „The Wind Machine“ so dicht beisammen, dass es den Eindruck vermittelt, es spiele nur ein einziges, besonders facettenreich geblasenes Horn. Saxofone, Trompeten und Posaunen tupfen zart swingend Balladenthemen wie „To You“ an, werfen sich kurze Floskeln zu, verschachteln sich, um dann in typischer Basie-Manier abzuflauen wie eine Jukebox auf Stromentzug.

Die einzelnen Mitglieder der Big Band emanzipieren sich über klar definierte Rollen. So tritt der fast quengelnde Trompeter William „Scotty“ Barnhart vorsichtig in die Fußstapfen von Joe Newman, während Tenorist Kenny Hing honkt und röhrt wie weiland Eddie „Lockjaw“ Davis, Jamie Davis, der elegante Sänger, offenbar Joe Williams entgegen schmachtet und Drummer Butch Miles, ein Original aus der glorreichen, alten Zeit, einfach nur sich selbst gibt. Und dann ist da noch Pianist Tony Suggs, die – zumindest akustisch – punktgenaue Basie-Kopie mit kleinen Stride-Figuren, deren herabfallende Singlenote-Brocken durch ihre fast mystische Rhythmik faszinieren.

Eine spritzige, ausgelassen beklatschte Inszenierung eines Mythos. Denn im Vergleich zu den coolen, modernen Big Bands wirkt der hitzige Kansas-City-Sound so prickelnd und unwiderstehlich wie eine Dampflokomotive gegenüber einem Transrapid.