The Almost Big Band, feat. Randy Brecker | 21.10.2004

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Krasser hätte der Unterschied kaum ausfallen können: Vor fünf Wochen mit gemütlichem Swing a la Glenn Miller das Munich Swing Orchestra, nun die Almost Big Band im Ingolstädter Audiforum. Gegründet und geprägt von dem 1979 nach Dänemark übergesiedelten und 1999 dort verstorbenen Ernie Wilkins hat sich die Band der modernen Variante des Big Band Jazz verschrieben, die mehr auf dem Bebop als auf dem Swing basiert. Mit Randy Brecker haben sich die zwölf wackeren DänInnen darüber hinaus eines Starsolisten versichert, der Kultstatus genießt. Im Audiforum ereignete sich nach dem Auftritt des Vienna Art Orchestra im November 2002 eine weitere Sternstunde des modernen Big Band Sounds.

Zum Auftakt eine Hommage an den Gründer mit dessen musikalischem Selbstporträt „Nervous Charlie“ und gleich danach wie programmatisch Thelonious Monks „Well, You Needn’t“ mit seinen flüssig zu umkurvenden Ecken und Kanten in knackig klaren Arrangements. Mit süffigen Soli glänzt nicht nur der Starsolist, auch die Bandmitglieder lassen sich nicht lumpen, allen voran Per Goldschmidt am Baritonsaxophon und Christina von Bülow am Tenor. Nicht allzu oft finden sich large Ensembles, die durch die Bank mit guten Solisten besetzt sind und gleichzeitig selbst bei sehr komplexen rhythmischen Strukturen und Bewegungen mit konzentriertem Satzspiel aufwarten können. Klangfarbenpracht, Dynamik und relaxter Groove, dabei eine hochlebendige Präsenz zeigen, dass auch eine „Nur beinahe“-big Band mit den entsprechend ausgetüftelten Arrangements Klanggemälde von großer Wirkung entfalten kann. Da kommt mit „Jenny“ ein heißer Bossa aus dem gar nicht so kühlen Norden nach Ingolstadt, entfaltet sich in „Hurry up and Wait“ die Hektik der Großstadt in düster lebendiger Pracht, finden dreizehn Gleichgesinnte auch bei „Sophisticated Lady“ zu dichter Atmosphäre und balladeskem Feinschliff. Bei „Con Alma“ hatte Ernie Wilkins seiner Band ins Stammbuch geschrieben „Play anything“, und wie ein alter Zenmeister den Schülern die Suche nach dem eigenen Weg überlassen. Sein Vertrauen wird auch posthum keine Sekunde lang enttäuscht: Die Almost Big Band trumpft auf mit Glanz und Gloria, Eleganz und Energie.
Randy Brecker passt sich ausgezeichnet in die Band ein, führt sie im Satz unauffällig und dienlich mit wirksamen Akzenten von präziser Disziplin und veredelt das Geschehen nicht nur mit der Klasse seiner ausgedehnten Soli. Die allerdings zeigen, warum der Mann bereits zwei Grammies einheimsen konnte: Schneidend scharfe Linien, feuersprühende Attacke, rasante Highnotes, coole Hipness und souveräne Beherrschung aller nur denkbaren technischen Feinheiten, nicht zuletzt der samtblaue Balladenton, der den vor Allem durch Billie Holiday bekannt gewordenen Standard „Lover Man“ zu einem selten gehörten Hochgenuss avancieren lässt.