Strings Ahead | 15.12.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

So geht’s also auch. Man muss zum Finale nicht unbedingt das große Tamtam aufführen und das Konzertjahr mit Pauken und Trompeten beschließen. Und man kann andererseits die eigentlich stille Zeit zwischen den Jahren auch ruhig und ohne jegliche Hektik verbringen, ohne dabei gleich in vorweihnachtlichem Kitsch zu versinken. Was es dazu braucht? Nicht viel an sich, nur zwei Gitarren und zwei Musiker, die mit ihnen umgehen können.

Die beiden Gitarristen Martin Müller und Alex Kroll sind zu Gast im Neuburger Birdland Jazzclub und spielen Stücke von George Gershwin, Egberto Gismonti, Kenny Dorham und eine ganze Reihe von Eigenkompositionen, eröffnen das erste Set behutsam, mit filigranen Läufen und legen dann im Laufe des Abends permanent immer mehr nach, so dass es am Ende zu zwei Zugaben kommt, was einmal mehr beweist, dass man auch mit vergleichsweise leisen Tönen und charmanter Zurückhaltung punkten kann. Müller kommt von der brasilianischen Gitarrenmusik, wurde von Baden Powell beeinflusst und hat seinen großen Auftritt bei seiner Würdigung Gismontis als Solist. Kroll seinerseits steht für wunderbar flüssige Soli, die seine Affinität zum Blues verdeutlichen, einem Genre, das ihn, wie man aus seiner Vita erfahren kann, ja schon immer begleitet hat.

Sehr auffällig ist, wie gut Krolls semi-akustische, mit Stahlsaiten bespannnte Jazzgitarre und die „klassische“, rein akustische Nylongitarre Müllers, kooperieren. Klanglich, aber auch in der Art und Weise ihres Einsatzes. Natürlich kann man erwarten, dass zwei gleichberechtigte Gitarristen sich in ihrer Aufgabenverteilung als Solist und Begleiter abwechseln werden, aber diesen beiden, die ja auch jeder für sich eigene Karrieren verfolgen, gelingt das auf besonders beeindruckende Weise. Das liegt auch an Corona. „Als sich immer nur zwei Personen treffen durften, haben wir uns verstärkt zusammengetan und gemeinsam Stücke geschrieben“, sagt Müller. Das führte zu Ergebnissen wie „The Multichord Coloured Ballad“, der Bearbeitung von Dorham’s „Blue Bossa“ und Gismonti’s „Salvador“. Aber auch zu Krolls Verbeugung vor Joe Pass und Müllers Reverenz an Paulinho Da Viola und dessen „Choro Negro“. Und als schließlich auch noch eine absolut nicht in dieser Form zu erwartende Adaption des Beatles-Klassikers „Lucy In The Sky With Diamonds“ im Birdland-Gewölbe erschallt, ist das Konzept offensichtlich. Es geht an diesem Abend nicht nur um hohe Gitarrenkunst, sondern auch um Vielfalt.

Und nicht zuletzt ums Prinzip „In der Ruhe liegt die Kraft“, um Klarheit, mitunter auch um durchaus einfache Harmonien, süffige Akkordreihungen und Melodien, die das Herz angreifen, um die Schönheit von Musik ohne großartige Verpackung. Wer nach dem Konzert das Birdland verlässt, tut dies nicht in aufgekratzter Stimmung, sondern gut eingestimmt auf die Zäsur im Birdland-Programm anlässlich des Weihnachtsfestes und des Jahreswechsel. Im Januar geht’s dann wieder los mit der Dutch Swing College Band am 11. im Audi Forum und dem Doppelkonzert des Cécile Verny Quartets am 12. und 13. im Birdland.