Stegner, Morello & Nitsch | 10.10.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Seit 25 Jahren bereits lädt der Birdland Jazzclub die regelmä­ßig im Herbst – heuer zum 78. Mal – stattfindenden Neuburger Barockkonzer­te in den Keller unter der ehemaligen Hofapotheke ein, wofür geografisch nur ein Weg von gerade einmal hundert Me­tern vom Kongregationssaal oder dem Rittersaal des Schlosses aus zurückzule­gen sind, zeitlich aber einer von drei Jahrhunderten. „Bach goes Jazz“ könnte man das Ganze nennen oder auch umge­kehrt „Jazz hosts Bach“, weil die beab­sichtigte Annäherung ja aus beiden Rich­tungen erfolgt, aus der der Klassik und der des Jazz.

Auf den Dialog zwischen beiden Gen­res weist denn auch Tobias Böcker, der Vorsitzende des Stiftungsvorstands der Neuburger Barockkonzerte, in seiner Er­öffnungsansprache eigens hin, bevor Paulo Morello an der Gitarre und Peter Nitsch am Kontrabass sowie Bratschist Martin Stegner von den Berliner Philhar­monikern versuchen, den Plan praktisch in die Tat umzusetzen. Da sind einerseits die „Bach Inventionen“, „Ich steh mit ei­nem Fuß im Grabe“ und „Bourrée“, an dem sich 1969 bereits Flötist Ian Ander­son versucht hat und damit sogar einen veritablen Rock-Hit mit Jethro Tull lan­dete, und da sind andererseits die Morel­lo-Stücke „7:1“ und „Robert’s Waltz“, „Segura Ele“ von Benedito Lacerda und Pixinguinha und „Choro Pro Zé“ von Guinga, also Jazz-Versionen brasiliani­scher Vorlagen, die in Verbindung zuein­ander gebracht werden sollen. Die Vor­aussetzungen hierfür sind günstig, denn Morello und Stegner kennen sich von der Formation „Bolero Berlin“ her, der ein ähnliches Konzept zugrunde liegt, nur eben für eine größere Besetzung, und die beiden Genres verstehen sich auch an diesem Abend gut, gehen aufeinander zu. Morello bewegt sich im klassischen Be­reich sehr souverän, Stegner steuert Soli bei, die seine Vorliebe für die Möglich­keiten der Improvisation im Jazz verra-ten. Und Nitsch, der auch noch zwischen den beiden in der Mitte steht, ist das verbindende Glied.

Ja, die beiden Genres verstehen sich, mögen sich, flirten ohne Scheu miteinan­der, aber sie umarmen sich erst wirklich in der ersten Zugabe bei Morello’s „Coo­king At the Birdland“, einem entspann­ten funky Blues, der Gastgeber Manfred Rehm vom Birdland gewidmet ist. Zuvor wird durchaus deutlich, dass die beiden Hauptsolisten verschiedene Hintergründe haben und ursprünglich aus unterschied-lichen musikalischen Kinderstuben kom­men. Während die Bratsche soliert, un­terstützt sie begleitend die Gitarre ganz selbstverständlich und spontan, weil das im Jazz nun mal so üblich ist. Umge­kehrt bleibt das die Ausnahme. Was überhaupt nicht schlimm ist und die Qualität der Musik absolut nicht beein­trächtigt, aber als beidseitiger Beitrag zu einem echten Dialog durchaus vorstell­bar wäre.

Am Ende zählt freilich, was als Ergeb­nis herauskommt. Das sind in diesem Fall stürmischer Applaus und die laut­starke Forderung nach zwei Zugaben. Das Zusammentreffen zwischen Klassik und Jazz erfreut sich auch in diesem Jahr großer Beliebtheit. Im Birdland sind alle Plätze belegt, das Mischungsverhältnis zwischen Klassik, Jazz und lateinameri­kanischer Musik scheint zu stimmen und das Interesse, Genres zu mixen oder es doch zumindest zu versuchen, also das auf die Bühne und in den Saal zu zau­bern, was man gemeinhin „Crossover“ nennt, scheint auch viele Jahre nach Jacques Loussier oder dem „Third Stream“ nach wie vor ungebrochen.