Seit 25 Jahren bereits lädt der Birdland Jazzclub die regelmäßig im Herbst – heuer zum 78. Mal – stattfindenden Neuburger Barockkonzerte in den Keller unter der ehemaligen Hofapotheke ein, wofür geografisch nur ein Weg von gerade einmal hundert Metern vom Kongregationssaal oder dem Rittersaal des Schlosses aus zurückzulegen sind, zeitlich aber einer von drei Jahrhunderten. „Bach goes Jazz“ könnte man das Ganze nennen oder auch umgekehrt „Jazz hosts Bach“, weil die beabsichtigte Annäherung ja aus beiden Richtungen erfolgt, aus der der Klassik und der des Jazz.
Auf den Dialog zwischen beiden Genres weist denn auch Tobias Böcker, der Vorsitzende des Stiftungsvorstands der Neuburger Barockkonzerte, in seiner Eröffnungsansprache eigens hin, bevor Paulo Morello an der Gitarre und Peter Nitsch am Kontrabass sowie Bratschist Martin Stegner von den Berliner Philharmonikern versuchen, den Plan praktisch in die Tat umzusetzen. Da sind einerseits die „Bach Inventionen“, „Ich steh mit einem Fuß im Grabe“ und „Bourrée“, an dem sich 1969 bereits Flötist Ian Anderson versucht hat und damit sogar einen veritablen Rock-Hit mit Jethro Tull landete, und da sind andererseits die Morello-Stücke „7:1“ und „Robert’s Waltz“, „Segura Ele“ von Benedito Lacerda und Pixinguinha und „Choro Pro Zé“ von Guinga, also Jazz-Versionen brasilianischer Vorlagen, die in Verbindung zueinander gebracht werden sollen. Die Voraussetzungen hierfür sind günstig, denn Morello und Stegner kennen sich von der Formation „Bolero Berlin“ her, der ein ähnliches Konzept zugrunde liegt, nur eben für eine größere Besetzung, und die beiden Genres verstehen sich auch an diesem Abend gut, gehen aufeinander zu. Morello bewegt sich im klassischen Bereich sehr souverän, Stegner steuert Soli bei, die seine Vorliebe für die Möglichkeiten der Improvisation im Jazz verra-ten. Und Nitsch, der auch noch zwischen den beiden in der Mitte steht, ist das verbindende Glied.
Ja, die beiden Genres verstehen sich, mögen sich, flirten ohne Scheu miteinander, aber sie umarmen sich erst wirklich in der ersten Zugabe bei Morello’s „Cooking At the Birdland“, einem entspannten funky Blues, der Gastgeber Manfred Rehm vom Birdland gewidmet ist. Zuvor wird durchaus deutlich, dass die beiden Hauptsolisten verschiedene Hintergründe haben und ursprünglich aus unterschied-lichen musikalischen Kinderstuben kommen. Während die Bratsche soliert, unterstützt sie begleitend die Gitarre ganz selbstverständlich und spontan, weil das im Jazz nun mal so üblich ist. Umgekehrt bleibt das die Ausnahme. Was überhaupt nicht schlimm ist und die Qualität der Musik absolut nicht beeinträchtigt, aber als beidseitiger Beitrag zu einem echten Dialog durchaus vorstellbar wäre.
Am Ende zählt freilich, was als Ergebnis herauskommt. Das sind in diesem Fall stürmischer Applaus und die lautstarke Forderung nach zwei Zugaben. Das Zusammentreffen zwischen Klassik und Jazz erfreut sich auch in diesem Jahr großer Beliebtheit. Im Birdland sind alle Plätze belegt, das Mischungsverhältnis zwischen Klassik, Jazz und lateinamerikanischer Musik scheint zu stimmen und das Interesse, Genres zu mixen oder es doch zumindest zu versuchen, also das auf die Bühne und in den Saal zu zaubern, was man gemeinhin „Crossover“ nennt, scheint auch viele Jahre nach Jacques Loussier oder dem „Third Stream“ nach wie vor ungebrochen.

