Camille Bertault Quintet | 17.10.2025

Neuburger Rundschau | David Fuchs
 

Die Lichter des Birdland-Jazzkellers in der Neuburger Altstadt dimmen sich, das Gemurmel im voll besetzten Gewölbe verstummt. Die Tür geht auf und eine Frau mit rotem Jackett und einem auffällig großen und zentral auf dem Kopf sitzenden Dutt betritt die Bühne. Es handelt sich um die Französin Camille Bertault, die am vergangenen Freitag dem Publikum im Neuburger Birdland einen ganz besonderen Abend bescherte. Gemeinsam mit ihrer Band, bestehend aus Julien Alour an der Trompete, Fady Farah am Klavier, Christophe Minck am Bass und Minino Garay am Schlagzeug sorgte sie für ein musikalisches Spektakel.

Doch eigentlich gehört gerade zum Jazz doch noch ein weiteres, fast schon unersetzliches Instrument, oder? Das sonst so obligatorisch wirkende Saxophon fehlt in dieser Besetzung nämlich ganz bewusst, denn Bertault selbst singt neben eigens komponierten französischen Liedtexten wie „Bonjour, mon amour“ oder „Voir la mer“ auch immer wieder einzelne, rasante Scat-Passagen. Dieses vokale und tongenaue „Gedudel“ ist das Kernelement des Abends. Hier wird die Stimme nämlich ausschließlich als Instrument verwendet, in diesem Fall als Saxophon-Ersatz.

Das Publikum ist hörbar begeistert von diesem ungewohnten Zusammenspiel. Neben klassischer Jazz-Spontanität gibt es allerdings auch Passagen innerhalb der einzelnen Lieder, die jede Zuhörerin und jeden Zuhörer zielsicher zum Staunen bringen. Das unfassbar schnelle synchrone Nachsingen komplexer Klavier- oder Trompetenmelodien mit der Stimme, ohne sich auch nur ein einziges Mal im Takt oder im Ton zu irren, klingt im gemeinsamen Zusammenspiel schlicht spektakulär. Das Instrumentale und das Vokale verschmelzen akustisch so weitgehend, dass am Ende zwischen einem hohen Trompetenton und Bertaults Gesang nicht mehr zu unterscheiden ist. Spontane Ausrufe wie „Boah“ im Publikum fallen nach solchen Passagen häufiger an diesem Abend, verübeln kann man das niemandem.

Das Konzert von Camille Bertaults Quintett ist der erste Auftritt des diesjährigen „Birdland Radio Jazz Festival“. Das Event jährt sich heuer zum 15. Mal und nach dem Auftaktkonzert in Ingolstadt treffen sich Jazzliebhabende aus der Region wieder in Neuburg, um interessanten Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt zuzuhören. Im Austausch mit dem Publikum gibt sich Bertault gelassen und ironisch-witzig. Neben dem Gesang tanzt die 39-Jährige mit Schauspielerfahrung sehr performativ, mit viel Gestik und vor allem Mimik. Ein Highlight: Ein ausschließlich aus Scat-Singing bestehendes Selbstgespräch in blitzschneller Geschwindigkeit, gepaart mit tongenauer instrumentaler Begleitung. Generell traut sich Bertault musikalisch einiges an diesem Abend. Gewollt atonale Passagen, quietschend-schreckliche Ausbrüche am Bass und ein bewusst eingesetztes, fast schon lärmendes Chaos im Wechsel mit gehauchten Gesangspassagen sind Methoden, um das Publikum im Bann zu halten, bis es im Gesang oder im Instrumentensolo wieder richtig zur Sache geht. Auch akustische Bilder wie das Miauen einer Katze oder Polizeisirenen im Lied „Nouvelle York“ kommen zum Einsatz und erzählen einzelne kleine Geschichten auf lautmalerische Weise.

Das Publikum in der Neuburger Altstadt ist außer sich, gleich zweimal wird Bertault mit ihrer Band zur Zugabe zurück auf die Bühne geholt. Jeder und jede wünscht sich mehr von diesem musikalischen Ausbruch, und selbstverständlich erfüllen Bertault und ihre Musiker dem Publikum diesen Wunsch, bevor die Gäste positiv-erschlagen den Keller verlassen und sich vielleicht ein wenig dudelnd auf den Heimweg begeben.