Simon Nabatov Trio | 24.02.2018

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Wie keine andere Musikform repäsentiert der Jazz die Musikkultur der USA. So mancher bezeichnet ihn gar als „Americas classical music“! Was passiert, wenn ein Russe sich das Idiom des Jazz einverleibt und zu eigen macht, war eindringlich zu erleben beim Konzert des in Moskau geborenen und nach langen Jahren in New York nun in Köln lebenden Meisterpianisten Simon Nabatov im Neuburger Birdland Jazzclub.

Sergej Rachmaninoff trifft auf Theolonious Monk, Igot Strawinsky auf Charlie Parker, Dmitri Schostakovich auf Bill Evans, Ost auf West, Klassik auf Jazz. Absolut faszinierend, wie Nabatov und seine Begleiter die Enden der Welt zusammenbrachten und unterschiedlichste Traditionen verknüpften, Stefan Schoenegg mit ungemein variantenreichen Sounds am z.T. gestrichenen Kontrabass, Dominik Mahnig mit äußerst phantasievoller Klang- und Rhythmusarbeit am Schlagzeug, Nabatov selbst wie schiere schöpferische Urgewalt am Bösendorfer. Der Flügel musste und konnte alles zeigen, was in ihm steckt. Und das ist eine ganze Menge! Impressionismus, Avantgarde und (freier) Jazz verwoben sich zu stets neuen Überraschungsmomenten, agil und melancholisch, energetisch und still, expressiv und lyrisch, in majestätischen, wuchtigen Clustern und Momenten vollkommenen Schweigens.

Wie immer im Leben freilich ist die Realität erhaben über Klischees und Muster. So ließ sich die Musik des kosmopolitischen Menschen Simon Nabatov von Vorurteilen und Schubladen befreit denn auch weniger aus der Dialektik vermeintlicher kollektiver Identitäten interpretieren als aus der Ambivalenz, der Zweideutigkeit und Zwiespätligkeit des menschlichen Daseins schlechthin. Zwischen Sehnen und Übermut, Stagnation und Bewegung, Aufs und Abs sowie angesichts zuweilen völlig unerwarteter Brüche kommt es eben oft nur mehr auf die Heftigkeit der Ausschläge an. Die allerdings scheint bei Simon Nabatov besonders ausgeprägt. Und so zelebrierte das Trio, in der 198. Folge der immerfrischen Reihe „Art of Piano“ mitnichten die Differenz, sondern vielmehr die Einheit der Gegensätze, zusammengehalten von der gewaltigen musikalischen Energie eines der besten Jazzpianisten der Gegenwart. Ein denkwürdiges Erlebnis!