Scott Hamilton & His German Friends Plays The Music From Neal Hefti | 10.09.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die Aktion ist nicht mit Paukenschlägen und Donnerhall verbunden, sondern geschieht auf überaus entspannte Art. Scott Hamilton, schon immer ein echtes Ass, wenn es um die Mainstream-Klassiker des Jazz geht, lässt das Publikum im an zwei Abenden hintereinander bis auf den letzten Sitzplatz gefüllten Birdland Jazzclub in der Neuburger Altstadt quasi hineingleiten in die neue Konzertsaison. Jedoch nicht mit Kraftmeierei, sondern mit höchster Spielkutur, enormem Feeling und cooler Eleganz.

Sein aktuelles Album nennt sich zwar „Classics“, doch daraus hört man nichts an diesem Abend für Genießer, denn Hamilton, stets umtriebig und immer darauf aus, den mitunter einige Jahrzehnte alten Stücken die Patina abzukratzen und sie in ein aktuelles Licht zu setzen, hat längst das Werk des berühmten, 2008 verstorbenen Komponisten Neal Hefti im Visier. Jener schrieb viele Songs für Woody Herman und Count Basie und mindestens eben so viele Filmmusiken. Hamilton ist einer seiner größten Fans und hat ihm ein komplettes Programm gewidmet, das er zusammen mit seinen „German Friends“ im Birdland vorstellt.

„Repetition“ aus den 1940ern, im Original mit Streichern eingespielt, der druckvolle Shuffle „The Odd Couple“ mit tollem Dialog zwischen ihm und Stephan Holstein, dem zweiten Tenorsaxofonisten, in der Coda, „Li’l Darlin’“, eine der schönsten Balladen jener Tage überhaupt, „Cute“ und „Girl Talk“, zwei der bekanntesten Stücke des Abends, die vermutlich jeder kennt, auch wenn er den Namen Hefti vorher nie gehört hat – ein Klassiker jagt den anderen. Hamilton wurde zwar in Providence/Rhode Island geboren, lebt aber seit Jahren in der Nähe von Florenz und hatte schon immer einen guten Draht nach Deutschland. Dass sein Sextett aus der Creme der Jazzszene hierzulande besteht, ist also nicht verwunderlich. Holstein, der auch die Klarinette bedient, Tizian Jost am Vibrafon, Bernhard Pichl am Flügel, Rudi Engel am Kontrabass und Michael Keul am Schlagzeug, die im Birdland längst bestens eingeführt sind, sind die idealen Partner für Hamilton’s Verbeugung vor Hefti, der, wenn man so will, eigentlich der siebte Mann an diesem Abend ist.

Die Musik swingt, groovt, ist subtil und zupackend zugleich. Das leichtfüßige „Barefoot In The Park“, das markante „Why Not“, das ohne jede Eile aber mit um so mehr Esprit dahin schleichende „Sex And The Single Girl“ aus dem gleichnamigen Film mit Tony Curtis, Henry Fonda und Lauren Bacall – Hamilton und die Band machen sie alle nochmals zu echten Perlen, holen sie heraus aus der Soundtrack-Ecke, stellen sie in den Mittelpunkt, wohin sie auch gehören, haben sie doch eine erheblich längere Nachhaltigkeit als so mancher Film, den sie einst lediglich untermalten.

Viele Jahre lang hat der große Trompeter Dusko Goykovich traditionell die Konzertsaison im Birdland eröffnet. Das war immer ein ganz besonderes Erlebnis. Sollte diese Aufgabe künftig Scott Hamilton übernehmen, was man sich ja durchaus mal vorstellen könnte, wäre das natürlich optimal, ist doch seine Art, bereits etablierte Musik so zu präsentieren, dass sie in neuem Glanz erstrahlt, das ideale Startsignal und macht neugierig auf all die großartigen Künstler, die sich nach der Sommerpause nun wieder regelmäßig im die Birdland-Klinke in die Hand geben werden.